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Ausgewählte Texte von Alfred Komarek.

Sein Verhältnis zu Autos bezeichnet Alfred Komarek als "im erfreulichsten Sinne des Wortes kompliziert". Das war immer so, ist es heute noch und hat auch jene legendären Romanfiguren geprägt, für deren Erfindung der 1945 geborene österreichische Schriftsteller, Publizist, Reisereporter, Essayist und Buchautor inzwischen am berühmtesten ist: Den friedfertigen Gendarmen und Krimi-Helden Simon Polt, der in seinem Einsatzgebiet Weinviertel am liebsten auf einem alten Waffenrad seine Runden dreht, und den arbeitslos gewordenen Magazinjournalisten Daniel Käfer, der sich in Komareks Heimatgegend Salzkammergut lange Jahre ganz ohne Auto durchs Leben bewegt.

Komareks Erfolg als Romancier, der gemessen an der Vielfältigkeit seiner schreiberischen Karriere erst relativ jungen Datums ist und kaum zehn Jahre zurückreicht, überstrahlt inzwischen alles andere. Da ist es gut, dass nun eine Art Überblicksband über sein Schreiben herausgekommen ist, der den wunderbar bukolisch-melancholischen Titel Spätlese trägt und genau das ist: Eine im späten Rückblick erfolgte Auswahl von Komarek-Texten aus vier Jahrzehnten. Klug zu sinnstiftenden Kapitel zusammengefasst, zeigen die knapp sechs Dutzend Kurzgeschichten, Reportagen, Glossen und Essays das breite Spektrum Komarek'schen Schaffens über die Jahre - aus Zeitschriften, Büchern und Radiomanuskripten ausgewählt.

In ihnen lernt man Komarek - siehe oben - nicht nur im Auto kennen, das man im Verhältnis zu ihm als schwierige Beziehungskiste bezeichnen könnte, sondern auch als Lustreisenden, Esser und Trinker, Österreich-Chronisten, feinen Radio-Feuilletonisten und Kommentator von Alltagsphänomenen und Menschentypen. Manches mag - wie Komarek selbst im Vorwort vorausschickt - thematisch von der Zeit ein- und überholt worden sein, wurde aber als guter Text trotzdem und mit Recht aufgenommen. Vieles ist zeitlos oder ohnehin so aktuell, wie es manche Erscheinungen halt von Natur aus sind. Man nehme etwa Komareks Menschentypologien und Charakterstudien aus dem Kapitel Bestiarium: Vom alle Lebensbereiche bevölkernden Menschenschlag des Banausen, der vor allem "damit beschäftigt ist, recht zu haben", ist da ebenso ironisch-liebevoll die Rede wie von dem des Beamten, Chaoten oder Verlegers. Den gelernten Österreicher lässt Komarek ebenfalls nicht ungeschoren - nicht als oberlehrerhaften Sommerfrischler aus der Stadt, nicht als seine Dienstleistungsrolle ins Gegenteil verkehrenden unwillig-unverfrorenen Wiener Kaffeehauskellner.

Üppig barock wuchert Komareks Sprache. Er ist, wie auch sein Verleger Michael Forcher im Nachwort feststellt, "ein Autor der vielen Adjektiva und Adverbien", doch bedient er sich nie der abgedroschenen, erwartbaren Kombinationen, sondern immer der bisher ungehörten, die die Fantasie des Lesers beflügeln. Sprachlich weniger ausufernd, dafür in ihrer Plastizität und Detailliertheit nicht minder überzeugend, sind Komareks Reisereportagen. Hier ist er ganz besonders in seinem Element: als Beobachter und Forscher, der voll höflicher Neugier auf der Suche nach der Essenz seiner Reisedestinationen ist - ob in Kashmir, wo man auf dem Dal-See bei Srinagar per Boot "im Sitzen spazieren gehen kann", oder auf der Isle of Man, in Theodor Stroms nordfriesischem Husum oder einem abweisenden Hirtendorf auf Sardinien. Zum Umgang mit Fremden in letzterem - der dazugehörige Text heißt "Hirten im Eissalon" - schreibt er: "Verirrt sich einer von denen in den Eissalon, wird er nach seiner Herkunft gefragt, wird eingeladen, weil er hier nicht zu bezahlen hat, und dann wäre es eigentlich schon wieder Zeit für die Abreise." In einprägsamerer Kürze lässt sich die Atmosphäre eines Ortes kaum einfangen. Erlebnisse wie dieses erwarten den Leser oft in Komareks Spätlese: Am besten, man genießt sie langsam und Stück für Stück.

Spätlese

Von Alfred Komarek

Haymon Verlag, Innsbruck 2007

254 Seiten, geb., € 18,90

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