"... nur mei Lied is aus Wien"

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Aschwarzer Direktor, aber nur mit an roten Inspektor." Oder: Karl Rathäusler und der Präsident der Niederösterreichischen Selchkammer wetteifern darum, wer Österreich mehr geschadet hat und kommen zum Schluss: Diese Verantwortung kann einer allein nicht tragen, die teilen wir uns. Gerhard Bronners Kabarett wurde lange von der Großen Koalition gespeist. Ihre Neuauflage hat er gerade noch erlebt.

Kabarett definierte Bronner als "Kritik der reinen Unvernunft" und nahm die österreichische Mentalität der Nachkriegs-und Wiederaufbauzeit glasklar auf s Korn. Der Wilde mit seiner Maschin oder Der g schupfte Ferdl: viele Lieder, denen Helmut Qualtinger Gesicht und Stimme gegeben hat, stammen von Bronner. Oder Der Papa wird s schon richten - infolge dieser Nummer musste Minister Felix Hurdes zurücktreten.

Flucht und Überleben

Dabei wollte Bronner nie mehr nach Wien zurück. Weil er 1938 als Fünfzehnjähriger von hier geflohen ist, hat er als einziger einer weit verzweigten Familie überlebt. Überlebt, weil sich der tschechische Polizist, der ihn zur Grenze zurückbringen musste, umgedreht hat und ihn laufen ließ. Weil er die Kraft zum Weiterschwimmen hatte in jener Nacht, als sein Freund neben ihm von einem Strudel der Donau erfasst wurde, und das rumänische Ufer erreichte. Zusammen mit etwa 4500 Flüchtlingen gelangte er mit einem illegalen Transport nach Israel. Bronner musste achtzig werden, um darüber erstmals öffentlich sprechen zu können.

Oft hat sich der "orthodoxe Atheist" Bronner die Frage jedes Überlebenden gestellt: Warum gerade ich? Für seine erste Lebensmittelkarte in Wien sollte er sein Glaubensbekenntnis angeben. In diese Rubrik schrieb er: GSASA und erklärte auf Nachfrage seine Abkürzung: "Geht Sie an Schaß an." An eines hat Bronner jedenfalls nicht geglaubt: "dass irgendeine Glaubensüberzeugung, sei sie religiöser oder politischer Art, unwidersprochen existieren darf". Keine gute Voraussetzung für eine Existenz in Österreich.

1988 ist er wieder weggegangen: Wegen einer seiner Meinung nach nicht gerechtfertigten Steuerstrafe und verstärkten antisemitischen Angriffen zur Zeit der Waldheim-Diskussion kaufte er ein Haus in Florida. Freunde bewerkstelligten 1993 die Rückkehr; seither pendelte Bronner zwischen beiden Wohnsitzen.

Autodidakt

Gelernt hat der aus dem tiefsten Favoriten stammende Bronner so gut wie nichts - er sollte Schaufensterdekorateur werden. Gekonnt hat er fast alles: genial Klavierspielen, fulminant Komponieren, überraschend Reimen, Dirigieren, Übersetzen (Musicals wie Cabaret oder My Fair Lady), Organisieren und Auftreten. 60 Platten, 120 eigene TV-und etwa 2000 Rundfunkprogramme, so lautet die Bilanz. Und die Autobiografie Spiegel vorm Gesicht.

"Nur mei Lied is aus Wien", heißt es im Lied eines Emigranten. Im Wiener Lied hatte Bronner eine seiner Wurzeln - und konnte es genial mit amerikanischen Rhythmen verfremden. Und ihm vor allem die Gemütlichkeit austreiben und so die Abgründe österreichischer Lebenslügen aufdecken. Daraus hat er eine Kunstform gemacht, in der er lebendig bleibt. CH

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