Immer wieder am Tod vorbei

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Nun hat auch Gerhard Bronner seine "Erinnerungen"zu Papier gebracht.Zu erzählen hat er genug.

Als der 15 Jahre alte Gerhard Bronner 1938 nach dem Anschluss illegal über die grüne Grenze von Wien nach Brünn emigriert, ahnt er noch nicht, dass er seine Familienangehörigen nicht mehr wiedersehen und selbst dem Tod ein paar Mal nur knapp entrinnen wird. Auf abenteuerlichen Wegen flieht er nach der Besetzung der CSR auf einem "Kraft durch Freude"-Dampfer, nur wenige Meter von feiernden Nazis entfernt, durchschwimmt in Bulgarien die kilometerbreite Donau und verliert dabei seinen engsten Freund und Fluchtgefährten, der ertrinkt.

Über das Schwarze Meer und Istanbul gelangt er in das britische Mandatsgebiet Palästina, wo er sich sehr bald eine Existenz als Musiker und Sänger aufbauen kann. Auch im "gelobten Land" entgeht Bronner nur knapp einem Attentat. Die in Wien zurückgebliebene Familie wird vernichtet.

Bald nach dem Krieg kehrt er mit Frau und Kind - mehr durch Zufall bei einem Zwischenstopp nach London - wieder nach Wien zurück, wird von Hans Weigl zum Bleiben überredet und gründet zusammen mit Helmut Qualtinger und Georg Kreisler die legendären Kabarettgruppen. Er ist Theaterdirektor, arbeitet für Rundfunk und Fernsehen in Wien und Deutschland und entdeckt Ephraim Kishon für den deutschen Buchmarkt, dessen Übersetzer er nach dem Tod von Friedrich Torberg für einige Zeit ist. Erhellend ist die Beziehung zwischen dem kabarettistischem Naturphänomen Qualtinger und Gerhard Bronner - eine Beziehung, die nicht immer gänzlich ungetrübt war - aber bei allen Auffassungsunterschieden von gegenseitiger künstlerischer Wertschätzung geprägt war. Für Qualtiger kreierte Bronner die Kultfigur Travnicek und als Interpret seiner Chansons gelangen Qualtinger überragende Erfolge.

Gerhard Bronners Verdienst ist es, im Biotop des Neuanfangs nach dem Krieg und der Teilung Österreichs in Besatzungszonen vielen Künstlern Auftrittsmöglichkeiten und damit Arbeit und erste Verdienstchancen ermöglicht zu haben. Peter Alexander gehörte genauso zu seinen Wegbegleitern wie viele Volksschauspieler, Komödianten und vor allem Kabarettisten.

Der Untertitel "Erinnerungen" ist etwas irreführend, da sich die autobiografischen Aufzeichnungen überwiegend auf die Zeit bis Mitte der fünfziger Jahre beziehen. Auf wenigen Seiten am Ende des Buches erfährt der Leser, dass es nach den sechziger Jahren auch noch ein "Leben" des Kabarettisten gab. Seine unfreiwillige zweite Emigration aus Wien nach Florida Ende der achtziger Jahre wegen Problemen mit den Finanzbehörden wird überhaupt nur auf einer halben Seite gestreift. Es kann auch sein, dass hier ein zweiter Band der Memoiren in Planung ist.

Gerhard Bronner beherrscht die Sprache in Wort und Schrift, ist diese doch neben den Ausdrucksmöglichkeiten der Musik sein angestammtes Metier, was das Buch sehr lesenswert macht. Einige Fotos aus dieser bewegten Zeit hätten dem Buch zur Illustration jedoch ganz gut getan, um diese Zeit des Aufbruchs auch bildlich nachvollziehen zu können.

Spiegel vorm Gesicht

Erinnerungen von Gerhard Bronner

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004. 266 Seiten, geb., e 20,50

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