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„Zilk kommt nicht öfter vor als Ratzenböck“

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FURCHE: Sie haben vor rund zwanzig Jahren die beiden Magazine „ trend “ und „profil“ gegründet. War es damals einfacher als heute, ins Zeitungsgeschäft einzusteigen?

OSCAR BRONNER: Ich kann diese beiden nicht so einfach mit dem „Standard“ vergleichen. Der „trend“ war ein Monatsmagazin und der „Standard“ ist eine Tageszeitung. Der Kapitalaufwand war dieses Mal jedenfalls ein unvergleichlich höherer. Vor 20 Jahren gab es allerdings die Schwierigkeit, Journalisten zu finden, die den Magazinjournalismus beherrschten. Es klingt heute vielleicht komisch - aber damals waren keine Illustratoren- für Färb -Illustrationen aufzutreiben. Es gab auch kaum Farbanzeigen für den Markt, in den der „trend“ hineingearbeitet hat. Zwar gab es Illustrierte wie ,;Hör zu“ und „Stern“, aber keine Anzeigen, wie sie heute den „Standard“ auf der kommerziellen Seite ausmachen. Die Reaktion der Werbewirtschaft hat lange gedauert. Die Branche hat zuerst einmal geschaut, ob wir überhaupt überleben werden; dann, ob es sich lohnt, zu inserieren und wir genügend Leser zusammenbringen. Immer wieder wurde argumentiert, die .Österreicher lesen doch keine Magazine.

Es hat ebenfalls eine Weile gedauert, bis die Werbewirtschaft Vertrauen gefaßt hat. Dann dauert es nochmals ein Jahr, bis die Agenturen sich bequemt haben, auch für den „trend“ Sujets zu machen.

Das waren damals die Schwierigkeiten. Heute besteht die Schwierigkeit darin, daßdie Gründung einer Tageszeitung unvergleichlich mehr Geld kostet. Die Druckereien sind außerdem heute eher imstande, ein Magazin zu machen als eine Tageszeitung. Jede Offset-Druckerei kann ein Magazin produzieren, es dauert bei manchen nur ein bißchen länger. Tageszeitungsdruckereien sind nur einige da, und der Markt ist mittlerweile stark konzentriert.

Von der journalistischen Seite her gesehen war die Gründung des „Standard“ leichter. Es gab Tageszeitungsjournalismus, man mußte nur die Kollegen überzeugen, das Risiko einzugehen.

Am Anzeigensektor ist es heute nicht ganz so arg wie beim „trend“, aber ähnlich. Es gibt in Österreich keinen Qualitätsanzeigenmarkt. Sehen Sie sich die Inserate beispielsweise in der Bundesrepublik an. Die „Bild-Zeitung“ hat andere Inserate als die FAZ. In Österreich ist das nicht so. Wir haben eine Zeitung, die sich Qualitätszeitung nennt, die erscheint aber praktisch ohne Inserate. Andererseits gibt es Inden „Salzburger Nachrichten“ die gleichen Anzeigen wie in der „Kronen- Zeitung“. Auch da müssen wir erst einen Markt schaffen und der Werbewirtschaft klar machen, daß die Leser dieser oder jener Zeitung anders angesprochen werden wollen als die Leser einer Boulevardzeitung.

FURCHE: Die letzte Mediaanalyse bescheinigt übrigens dem „ trend “ mehr Leser als „profil“. Sind die Österreicher potentielle Manager und Aktionäre geworden?

BRONNER: Für dieses Ergebnis gibt es eine technische Erklärung, „trend“ als Monatsmagazin hat sozusagen mehr Zeit, herumgereicht zu werden. Das Einzelexemplar hat dann viel mehr Mitleser, die zahlenmäßig erfaßt werden. Mitleser, die bei einer Tageszeitung am geringsten sind. Außerdem kaufen den „trend“ Firmen, die Abonnements mit Verteiler haben.

Aber es gibt tatsächlich eine positive Entwicklung. Immerhin beken-

nen sich jetzt mehr Menschen dazu, ein Wirtschaftsmagazin in Händen zu halten. Auch wenn sie es vielleicht noch nie durchgeblättert haben.

FURCHE: Haben Sie bei Ihren Zeitungsgründungen vorher Marktanalysen gemacht?

BRONNER: Weder beim „trend“ noch beim „Standard“. Ich habe mich einfach darauf verlassen, eine „schlafende Leserschaft“ vorzufinden, die man durch Qualitätsprodukte wecken kann.

FURCHE: Mußten Sie bei der Verwirklichung des „Standard“- Konzeptes Abstriche machen oder haben sich Ihre Erwartungen voll erfüllt?

BRONNER: Zahlenmäßig sind wir zwei Jahre über dem Plan. Zwischen 40.000 und 50.000 Zeitungen werden je nach Wochentag verkauft und was die Anzeigen betrifft, brauchen Sie ja nur die September-Nummern durchzublättern...

FURCHE: Aber vom Konzept, ohne Chronik und Sport auszukommen, sind Sie abgegangen. Warum?

BRONNER: Ich sagte ja, wir sind zwei Jahre über dem Plan. Ich habe auch gesagt, daß ich nur die ersten zwei Jahre ohne Sport und ohne Chronik auskommen will. Dann sollte der „Standard“ langsam ausgebaut werden.

FURCHE: Hatte das nichts damit zu tun, daß beide Ressorts zuviel nach Boulevard riechen?

BRONNER: Das hatte damit überhaupt nichts zu tun. Die „New York Times“ hat einen ausgezeichneten Chronikteil, „Le Monde“ auch. Es kommt auf die Gewichtung an. Aber die Chance besteht bei uns jedenfalls nicht, daß irgendwann 80 Prozent dem Sport und der Chronik gewidmet werden.

FURCHE: Welches Konzept steckt eigentlich hinter dem „Album “?Als Leser erkennt man zwar einen gewissen Kulturschwerpunkt, sonst ist diese Beilage doch eher jede Woche eine Überraschung.

BRONNER: Es ist üblich, daß die Zeitungen zum Wochenende Lesestoff bieten, der nicht an Tagesaktualität gekettet ist. Unser Versuch auf diesem Gebiet heißt „Album“. Es hat ein bißchen gedauert, bis wir hier Tritt gefaßt haben. Daß die Leser nicht wissen, was sie erwartet, ist zum Teil Konzept. Das „Album“ soll jedes Mal eine Überraschung Sein. Manches Mal gelingt das Experiment, manches Mal nicht. Es sind aber sicherlich auch Dinge dabei, für die wir wochentags keinen Platz fanden.

FURCHE: Warum haben Sie im Ressort Außenpolitik so viele Korrespondentenberichte? Sollen sich Ihre Leser den Griff zur Auslandszeitung ersparen?

BRONNER: Wir haben sehr viele

Korrespondenten, aber längst nicht so viele, wie wir gerne hätten. Wir versuchen, den Österreichern ein Bild von der Welt zu geben. Unsere Korrespondentenberichte sollen in die 0815-Berichte der Agenturen mehr Farbe bringen. Außerdem ist die Zahl der Österreicher, die ausländische Zeitungen lesen, ohnehin viel zu gering.

FURCHE: Ist das nur bei uns so?

BRONNER: Das ist international so. „News business is local busi-ness“. Üblicherweise liest beispielsweise der New Yorker nur die „New York Times“. Nur wenige New Yorker, wie Bankleute und Journalisten, lesen selektiv ausländische Zeitungen. Und wenn sich in Österreich jemand für eine ganz bestimmte Aktie interessiert, dann muß er sich das „Wall Street Journal“ kaufen. Die Spezialinforma-tionen, die diese Zeitung anbietet, können wir jedenfalls nie bieten. Wir können auch kein Ersatz sein.

FURCHE: Denken Sie daran, in Zukunft mehr Hintergrundberichte zu bringen?

BRONNER: Nein. Wir haben den Platz einfach nicht, den Magazine und Wochenzeitungen haben.

FURCHE: Der „Standard“ ist noch sehr auf Wien konzentriert. Wie geht es Ihnen in den Bundesländern?

BRONNER: Diese Wien-Zentrierung ist nicht unsere Absicht. Sie erklärt sich daraus, daß wir die Redaktion hier haben und es in den Bundeslän-

dem noch keine echten Vollredaktionen gibt, sondern nur einzelne Korrespondenten. Auch da sind wir noch nicht komplett. Wir haben noch niemanden in Oberösterreich und in Vorarlberg.

Unser Chronik-Anteil ist im Vergleich zu anderen Zeitungen sicherlich verschwindend gering. Es ist daher noch ein bißchen zufällig, was da drin steht. In der Innenpolitik ist uns die komplette Abdek-kung schon gelungen. Zilk kommt nicht öfter vor als Ratzenböck.

FURCHE: Wie beurteilen Sie generell den heimischen „seriösen“ Zeitungsmarkt?

BRONNER: Es gibt noch enorme Schwächen. Ich habe einmal gesagt:,Bis jetzt hat der Konkurrenzkampf in Österreich stattgefunden in Richtung Quantität. Wir eröffnen ihn mit dem „Standard“ in Richtung Qualität*. Es freut mich natürlich sehr, daß die Mitbewerber den Ball aufgenommen haben und in den Wettbewerb eingestiegen sind.

FURCHE: Wie gefallen Ihnen da beispielsweise die neuen „Salzburger Nachrichten “?

BRONNER: Ich habe diese Zeitung immer gemocht. Ich finde, sie ist besser geworden.

FURCHE: Glauben Sie, sie hat den Sprung von der regionalen zur überregionalen Zeitung schon geschafft?

BRONNER: Zahlenmäßig sicher nicht, weil sich die Auflage in Wien kaum erhöht hat. Aber das hängt vielleicht damit zusammen, daß wir schon da waren. Ich kümmere mich nicht um die Auflagen anderer Zeitungen, aber ich hoffe, daß das Experiment gut ausgeht, denn es kann

dem Land nur guttun. Und auch uns, weil wir gefordert sind.

FURCHE: Was halten Sie vom neuen „Presse“-Herausgeber?

BRONNER: Ich respektiere Gerd Bacher sehr und hoffe, daß auch die „Presse“ besser wird.

FURCHE: Wo werden Sie den „Standard“ einwurzeln, wenn Robert Hochner aus der „AZ“ auch eine linksliberale Zeitung macht?

BRONNER: Dann wird es in Zukunft eine Zeitung geben, die sich als „links-liberal“ versteht, eine als „rechts-liberal“ und der Standard als ein „liberales“ Blatt.

FURCHE:Was sind Ihre Kriterien für „liberal“?

BRONNER: Ach, darüber könnte ich jetzt eine Dissertation verfassen...

FURCHE: Heißt das zum Beispiel, daß jeder in Ihrem Blatt schreiben darf?

BRONNER: Ich würde niemanden schreiben lassen, der unserer Blattlinie widerspricht. Diese ist genau definiert. Wir lehnen etwa jede Form des Totalitarismus ab, sind für Demokratie und Soziale Marktwirtschaft...

FURCHE: Ohne Abgrenzung nach „rechts“ oder „links“? Einen bekannten kommunistischen Autor findet man zum Beispiel recht häufig im „Standard“...

BRONNER: Wir machen keine Recherche über unsere Autoren. Wichtig ist, was sie schreiben, und nicht, wen sie wählen. Für die Abschaffung der Demokratie könnte er natürlich bei uns nicht eintreten. Aber „schwarze Listen“ machen wir keine.

FURCHE: Dürfte auch ein Norbert Burger bei Ihnen schreiben, wenn es nicht allzu bös' ist?

BRONNER: Einen Artikel, Oer sich positiv mit Norbert Burger beschäftigt, könnte ich mir bei uns nicht vorstellen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, daß wir ihn einmal interviewen oder daß wir ein Statement des Herrn Burger zu einem bestimmten Thema abdruk-ken.

FURCHE: Der Springer-Verlag engagiert sich jetzt in Budapest. Haben Sie auch etwas damit zu tun? Gibt es Ihrerseits Pläne, sich im Osten zu engagieren?

BRONNER: Nein. Wir profitieren aber von der Springer-Aktivität in Budapest dadurch, daß der „Standard“ über deren Vertriebskanal vertrieben wird.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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