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Sage mir, wie Du heißt...

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Die Jahreswende ist die Zeit, wo die Nachdenklichkeit ausbricht. Die Magazine bringen mehr oder minder tiefschürfende Abhandlungen über Zeit und Ewigkeit, bedenken die Vergänglichkeit alles Irdischen, wägen die Chancen und Risken der Zeiten ab, die uns dräuen.

In all dieser Unverläßlichkeit gibt es auch Verläßliches, und die ist in der Statistik zu finden. Wenn aus deren Lektüre auch keine großen Erkenntnisse zu gewinnen sind, eine gewisse Kurzweil bietet sie allemal.

Das Österreichische Statistische Zentralamt führt seit 1984 eine Statistik der Vornamen, die österreichische Eltern ihren Kindern geben. Für das Jahr 1997 liegt sie selbstverständlich noch nicht vor, aber die Trends sind eindeutig. Kein Name aus der Hitparade von 1996 dürfte weit zurückgefallen sein oder sich nach vorne katapultiert haben.

Bei den Buben führt Michael seit 1989 die B pliebtheitsskala an. Gefolgt wird er von Stefan, pardon: Stephan. Man liebt die „ausländisch" klingenden Versionen. Wer meinen würde, die traditionellen Namen, etwa die -von biblischen Gestalten, seien im Aussterben, der irrt. Die weiteren Spitzenplätze besetzen Daniel, Thomas, Dominik, Lukas, Philipp, Christoph, Alexander, Florian, Andreas, Manuel, Markus, Martin, Matthias, Christian, David, Kevin, Sebastian, Maximilian, Johannes, Bernhard, Mario und Fabian. Es finden sich in der Liste immerhin ein Erzengel, drei der vier Evangelisten, ein Erzmärty-rer, ein biblischer König, ein Prophet des Alten Bundes, vier Apostel und drei weitere prominente Heilige.

Bei den Mädchen ist Julia seit 1990 am Spitzenrang, seit vorigem Jahr gefolgt von Lisa, die seit 1984 einen unaufhaltsamen steilen Aufstieg machte - vom 59. Platz. Meine Großtante Steffi, die Anfang der fünfziger Jahre gestorben ist, hieß übrigens gleich wie die heutzutage Drittplazierte Stefanie, die ex aequo mit Stephanie liegt. Es folgten Sarah, Katharina/Katarina, Melanie, Anna, Christina, Sabrina, Sandra, Verena, Carina, Viktoria/Victoria, Nicole, Jennifer, Bianca, Katrin, Jasmin, Theresa/Teresa, Daniela und Kerstin.

Wie bei den Bubennamen gilt auch bei den Mädchen, daß eine wirklich oder vermeintlich fremdsprachige Schreibweise der deutschen jedenfalls vorgezogen wird, vor allem in jenen Gesellschaftsschichten, in denen die Kenntnis der jeweiligen Fremdsprache nicht verbreitet ist. Dabei kann es leicht passieren, daß männliche und weibliche Formen verwechselt werden, etwa wenn eine junge Dame Daniele heißt.

Aber wie sagt schon Karl Kraus: Der Vorliebe fürs Welsche scheint eine solche fürs Kauderwelsche zu Grunde zu liegen.

Die gute Anna nimmt sich in der obigen Aufzählung hochgestochenfremdländisch klingender Namen geradezu bieder aus. Die Danielas, Nicoles und Nataschas sind unterdessen alle schon um die zwanzig Jahre alt. Fast verschwunden sind die Namen Franz, Karl, Anton, Leopold, Franziska, Regina - ganz zu schweigen von Cacilia, Agnes, Margarethe. Wer heute ein Kind so nennt, weist sich als Aristokrat oder als Snob aus.

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