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Carl E. Schorske, Spezialist für das Wien des Fin de Siècle, in einem substanziellen Essayvband.

Detailkenntnis und faszinierende Zusammenschau von Musik, Architektur, Literatur und geschichtlichen Fakten hat schon den Wien-Klassiker des inzwischen 90-jährigen amerikanischen Kulturhistorikers Carl E. Schorske zur faszinierenden Lektüre gemacht; dasselbe gilt für jeden seiner Essays. Keiner könnte wie er Richard Wagner mit dem Designer und Kunsthandwerker William Morris als "Revolutionäre im ästhetischen Ausdruck und Konservative in ihrer Suche nach spiritueller Verankerung" so gezielt vergleichen, dass der Verdacht der Beliebigkeit nicht einmal aufkommt oder Jacob Burckhardt und Johann Jakob Bachofen derart schlüssig auf die spezifische Entwicklung der Stadt Basel beziehen, ohne den individuellen Denkansatz einzuebnen. In derselben Weise erfährt man eine Menge über die Kultur- und Mentalitätsgeschichte der usa, wenn Schorske sie im Prisma seiner eigenen intellektuellen Biografie einfängt.

Präzise lokalisiert der Autor die Glorifizierung wie die Dämonisierung der Stadt, um dann den krassen Widerspruch zwischen der propagierten Archaisierung der Gesellschaft durch die Nationalsozialisten und ihrer städtebaulichen Praxis darzustellen. Die Stadt bildet einen Focus im Denken und Forschen von Schorske, und immer wieder ist es Wien, aus dessen Entwicklung er neue Facetten herausdestilliert. Wie er den Kampf um territoriale Macht und symbolische Präsenz in der Wiener Ringstraße und das Kunsthistorische Museum als Schlussstein eines Kompromisses schildert und das Maria-Theresia-Denkmal davor interpretiert, ist eine aufregende Architektur-Lektüre.

Neben dem bereits in der Buchreihe der Wiener Vorlesungen publizierten Gustav-Mahler-Essay ist "Die Gnade und das Wort" ein fundamentaler Beitrag zur österreichischen Kulturgeschichte, die aus dem immer wieder hochkommenden Gegensatz von Barock und Aufklärung, von "Kultur der Gnade" ("Anmut" könnte man auch übersetzen) und "Kultur des Wortes" gedeutet wird. Ein Freud-Essay am Ende des Bandes zeugt von Schorskes psychoanalytischem Interesse.

MIT GESCHICHTE DENKEN

Übergänge in die Moderne

Von Carl E. Schorske.

Mit einem Geleitwort von Aleida

Assmann. Aus dem Amerikanischen

von Georgia Illetschko und Erik M. Vogt.

Löcker Verlag, Wien 2004, 266 Seiten, kart., e 25,70

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