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Idealisierte Maria Theresia

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KAISERIN MARIA THERESIA. Herrscherin und Mutter. Eine Biographie von Henry Vallotton. Aus dem Französischen übertragen von Ulla Leipe (wie das Original heißt, ist nicht angegeben: bibliographischer Unfug!) Hamburg, Christian-Wegner-Verlag, 1968. 312 Seiten, Preis DM 13.80.

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KAISERIN MARIA THERESIA. Herrscherin und Mutter. Eine Biographie von Henry Vallotton. Aus dem Französischen übertragen von Ulla Leipe (wie das Original heißt, ist nicht angegeben: bibliographischer Unfug!) Hamburg, Christian-Wegner-Verlag, 1968. 312 Seiten, Preis DM 13.80.

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Von Rumburg bis Cattaro, von Buchs bis Kronstadt; von Hašek bis Hitler, von Masaryk bis zu Pseudonymen und Anonymen schmähte alles die gestürzte Dynastie. Wenn das Geschichtsbuch für die tschechoslowakischen Mittelschulen dennoch die „beispielgebende Pflichttreue” des Kaisers Franz Josef erwähnte, so war es eben von Josef Pekar verfaßt, der sich von niemand (am allerwenigsten vom Kollegen Masaryk) etwas ansehaffen ließ. Seither sind vier Jahrzehnte vergangen, und die Geschichtsschreibung hat „vom Reich ganz anders denken lernen” (Schiller). Wir sind jetzt so weit, ein Buch wegen allzu vorbehaltsloser Bewunderung der Habsburger kritisieren zu müssen.

Es ist ein gutes Buch, das vor uns liegt. Der Diplomat, der sich schon als Historiker bewährt hat, gibt uns ein gut geschriebenes, faßliches Bild der Person, der Familie, der Regierung Maria Theresias. (Auch die Übersetzung ist gut.) Wer sich über das Theresianische Zeitalter orientieren will, der greife vertrauensvoll zu dem Buch von Vallotton. Dennoch sind ein paar Bemerkungen zu machen. Es ist auffallend, wie weit sich der Autor die alte österreichisch-dynastische Auffassung dieses Zeitalters, zumal der theresianischen Reformen, zu eigen gemacht hat. Für die Lichtgestalt der großen Kaiserin gibt die partikularistische Adelsopposition einfach die dunkle Folie ab — selbstsüchtige Finsterlinge beiläufig. Es wäre doch zu betonen gewesen, daß die Reformen etwa für Böhmen sehr wirkliche Schattenseiten aufwiesen, wie denn auch das theresianische Zeitalter den Tiefstand der böhmischen Schriftsprache vorstellt. Auch die von Wandruszka publizierten Schattenseiten des Familienlebens hätten wohl mehr Erwähnung vertragen. Doch sind diese Bemerkungen vielleicht ungerecht; ein ausländischer Autor kann sich nicht auf alles einlassen. Viel eher müssen wir die Mengen seiner Angaben loben und uns freuen, daß jene bedeutsame Zeit einen so fähigen Schilde- rer gefunden hat.

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