Am Fuß des Olymps angelangt

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Greifen die USA jetzt den Iran an oder nicht? Ist die Stationierung eines zweiten amerikanischen Flugzeugträgerverbandes im Persischen Golf nur Säbelgerassel, um im Atompoker mit dem Iran die besseren Karten zu haben oder konkrete Vorbereitung auf einen weiteren Krieg? Vielleicht, vielleicht auch nicht, eventuell, unter diesen Umständen Ja, unter anderen wieder Nein … Die Expertinnen-und Expertenmeinungen machen nicht wirklich schlauer und die Kommentare der Kriegs-und Friedensforscher verkomplizieren das Lagebild noch mehr.

Zum Glück gibt's Finanzmarktanalysten, deren Job es ist, jedes noch so dramatische Kriegsszenario auf ein Kundengespräch und die Frage herunterzubrechen: "Wie kann ich mein Vermögen schützen oder sogar vermehren?" Die niederländische ING-Bank, zu der auch die deutsche Direktbank DiBa gehört, beantwortet in einer aktuellen Studie diese Frage erfrischend konkret: Rohstoffwerte profitieren, Aktien stürzen ab - wenn es zu einem Krieg im Iran kommt, und davon gehen die Analysten aus.

Eine derartig starke Truppenpräsenz am Schatt El Arab hat fast immer zum Losschlagen geführt: 1991 erster Golfkrieg, 1996 "Desert Strike", 1998 "Desert Fox", 2003 zweiter Golfkrieg - deswegen rechnen die Banker auch dieses Mal mit einem "schockartigen Überraschungsangriff" - hauptsächlich von Israel geführt, die USA werden "eher als Schild agieren, um den Iran von eskalierender Vergeltung abzuhalten".

Bleibt zu hoffen, die Banker verspekulieren sich diesmal - lieber ein paar Aktien in den Sand gesetzt, als … Aber auch New York Times-Kolumnist Paul Krugman sieht alle Zeichen auf Krieg und hofft, dass er zu pessimistisch ist. Doch "vergessen wir nicht, wer den Angriffsbefehl gibt: US-Vizepräsident Dick Cheney denkt, wir machen ,riesige Fortschritte' im Irak".

wolfgang.machreich@furche.at

Die nicht immer nachvollziehbaren medialen Einschätzungen hatten Babel zum diesjährigen Oscar-Favoriten gestempelt. Dass Martin Scorsese mit Departed die viel näher liegende Wahl war, wurde im Vorfeld der 79. Academy Awards kaum thematisiert. Und Scorsese darf endlich seine Oscars mit nach Hause nehmen - Gott sei Dank. Aber dass Alejandro Gonzáles Iñárritus Weltepos Babel letztlich "nur" den Filmmusik-Oscar einfuhr, stempelt ihn keineswegs zum großen Verlierer, wie die schnellen Kommentatoren des Filmpreis-Geschehens glauben machen.

Denn schon die sieben Oscar-Nominierungen für Babel und der Gewinn des Golden Globes im Jänner waren die eigentliche Sensation und zeigen den mehr als überraschenden Aufstieg des Filmlands Mexiko, das heuer insgesamt gleich 16 Mal (!) mit Nominierungen glänzte und für den Fantasy-Film Pans Labyrinth auch drei weitere Oscars einheimste.

Alejandro Gonzáles Iñárritu hat maßgeblichen Anteil daran, dass Mexiko zur Zeit nicht nur in Hollywood reüssiert, sondern sich auch weltweit einen sicheren Film-Stammplatz erkämpft hat. Bekannt wurde der 1963 in Mexiko Stadt geborene Regisseur mit der mehr als abgründigen Liebeserklärung an seine Heimatstadt, Amores Perros. Kritiker priesen die drei kunstvoll ineinander verwobenen Gewaltgeschichten als lateinamerikanische Fortsetzung von Pulp Fiction, aber so der Furche-Rezensent: Während in Quentin Tarantinos Kultfilm Gewalt eine verstörende Fiktion darstellt, wird diese in Amores Perros "real", weil eben "Mexiko Stadt und Abgründe real sind". Nicht nur Gonzáles Iñárritu trat 2000 mit Amores Perros in die cineastische Weltöffentlichkeit, auch einer seiner Hauptdarsteller, Gael García Bernal, wurde durch den Film ein Weltstar.

Mittlerweile hat Gonzáles Iñárritu seinen Erstlingserfolg zu einer Trilogie ausgeweitet: 2003 folgte 21 Gramm, drei Jahre später Babel. Auch diese beiden Filme fußen auf jeweils drei über einzelne Protagonisten verknüpften Geschichten. In Babel - und das mag auch zu dessen Erfolg diesseits wie jenseits des Atlantiks beigetragen haben - erweitert Gonzáles Iñárritu seinen Blick zur Weltsicht: Eine in Marokko angesiedelte Clash of Civilizations-Geschichte wird verwoben mit einer Episode über die absurden Abgründe an der US-mexikanischen Grenze sowie einer Erzählung über den gesellschaftlichen Autismus in der Fernost-Metropole Tokyo. Babel, der Titel, erinnert an die Geschichte des Turmbaus in der biblischen Stadt und weist den Film zu Recht als "Parabel" über die Sprachverwirrung und das Nichtverstehen in einer Welt, die sich das Label "globalisiert" gegeben hat, aus.

Auch wenn es nicht zu Oscars gereicht hat: Dass unter den fünf Nominierungen für die beste weibliche Nebenrolle mit Adriana Barraza und Rinko Kikuchi zwei aus der exzeptionellen Darstellerriege von Babel (der Film hat eigentlich keine "Hauptrolle") kamen, zeigt, dass auch Hollywood an diesem Film nicht vorbei konnte. Brad Pitt, ein weiterer "Nebendarsteller", hat nicht unbedingt aufs falsche Pferd gesetzt, weil er, um bei Babel dabei sein zu können, eine große Rolle im nunmehrigen Oscar-Sieger Departed zurücklegte. Denn auch er hat zweifelsohne dazu beigetragen, dass Alejandro Gonzáles Iñárritu am Fuß des Olymps angekommen ist. Er wird diesen hoffentlich auch erklimmen. ofri

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