Empörender ORF-Karfreitag

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Gewaltexzesse, äußerst problematisch ästhetisiert; Leidensgeschichte, eingebläut mit dem Vorschlaghammer; und vor allem Antijudaismus: Nicht nur, dass Mel Gibsons Passion Christi das christlich-antijüdische Stereotyp, "die Juden" seien schuld am Tod Christi, neu verbreitet, der Action-Filmer bedient sich dabei Jahrtausende alter fataler Ikonografie: Die Juden sind Gestalten mit finsterem, satanischem Blick - unglaublich, dass nach Auschwitz so etwas noch in Szene gesetzt werden konnte.

Als der Film 2004 nach Österreich kam, blieb der Skandal aus: Die Kinos waren weitgehend leer, das Publikum strafte das Werk mit Nichtbeachtung. Somit war auch das Argument wohlmeinender Kleriker, der Film könne Fernstehende für die Sache Jesu interessieren, obsolet: Stell dir vor, man zeigte Gibson, und niemand ging hin.

Solche Tatsache will der ORF nicht hinnehmen. Denn anders ist nicht zu verstehen, warum die öffentlich-rechtliche Anstalt drei Jahre später die abgeschlossene Diskussion wieder aufwärmt. Ausgerechnet am Karfreitag belästigt ORF 1 mit "Mel Gibsons Meisterwerk" (kein Witz, so hieß es im Trailer!). Dabei muss den Programmplanern mulmig zumute gewesen sein: Wie anders ist sonst zu erklären, dass zuvor auf ORF 2 ein FeierAbend läuft, der - so entnehmen wir dem Pressetext - zeigt, wie problematisch Gibsons Leidensfantasien sind; dem Film selbst wird eine Erläuterung voran-und eine Diskussion hinterhergestellt.

Einer Programmierung wie dieser geht es nicht um Auseinandersetzung sondern, um schlechte Provokation - nach der "Dokumentation" Das Jesus-Grab (vgl. Seite 5 dieser Furche) die zweite ORF-Unsäglichkeit dieses Karfreitags. Übrigens: Entgegen der bisherigen Programmphilosophie laufen beide TV-Ärgernisse auf ORF 1. Vielleicht will man da ja zeigen, was man unter dem "jungen, urbanen" Sender ORF 1 auch versteht: "Für-dumm-verkauft"-Fernsehen. Otto Friedrich

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