Gratis, aber nicht umsonst

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Im Herbst 2000 soll es - nach Köln und Zürich - auch in Wien eine Gratis-Tageszeitung geben.

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Im Herbst 2000 soll es - nach Köln und Zürich - auch in Wien eine Gratis-Tageszeitung geben.

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Macht er oder macht er nicht? Hans Dichand schweigt. Für Informationen über das geplante Gratiszeitungs-Projekt des Krone-Chefs sei es "noch zu früh", heißt es aus seinem Büro. Immerhin: eine Probenummer mit dem Titel U-Bahn-Express soll es bereits geben.

Die Gratis-Tageszeitung boomt. In Zürich gibt es bereits drei davon, die und das Wichtigste vom Tag kurz und prägnant formulieren wollen. Auf einer U-Bahn-Fahrt kann man sich so schnell informieren. Soweit die Idee. Dahinter steckt freilich ein finanzielles Interesse. Der norwegische Medienkonzern Schibsted bringt seit Dezember 20 Minuten Zürich heraus. Das Blatt hat ein kleines Format, ein modernes Design, politisch neutrale Nachrichten, Service-Seiten und natürlich jede Menge Werbung. ",Simple, but serious', ist unser Credo", meint Manager Sacha Wigdorovits. 180 Kolporteure, 1.300 Selbstbedienungsboxen bei Bahn, Bus und Verkehrsknotenpunkten bringen das Blatt unters Volk.

Während sich in Wien Hans Dichand noch in Schweigen hüllt, ist ein anderer bereits am Start: Hans Auer, Chef des gleichnamigen Grafikdienstes, will schon im Oktober mit 50.000 Stück seiner WUZ (Wiener U-Bahn-Zeitung) täglich die Wiener beglücken. "Wir werden uns rein über die Werbung finanzieren, wir verkaufen an Werbeflächen alles was geht", meint Auer. Sechs Redakteure werden bei WUZ täglich 24 Seiten füllen, davon werden zehn Seiten Werbung sein. "Wir müssen jeden Tag Anzeigen für 138.000 Schilling verkaufen, damit wir kostendeckend arbeiten", so Auer. Damit Auer die Zeitung gratis, aber nicht umsonst produzieren kann, sucht er schon jetzt fieberhaft nach Anzeigenkunden und möglichen Partnern.

Magna-Chef Frank Stronach, mit dem es Kontakt gab, hat abgesagt. Auch Hans Dichand und die Mediaprint waren im Gespräch. "Die Herren bei der Krone wollten nicht einsteigen, sondern kochen ihr eigenes Süppchen", so Auer. Derzeit gebe es Verhandlungen mit Goldmann. "Der Markt ist groß genug für vier, fünf solcher Gratiszeitungen", gibt sich Auer zuversichtlich.

Im Großraum Zürich greifen bereits eine halbe Million Menschen täglich zu einem der drei Gratisblätter. Kurt W. Zimmermann, Manager der TA-Media-Gruppe (Konzernumsatz sechs Milliarden Schilling): "Das ist ein harter Verdrängungswettbewerb, nackter ökonomischer Wahnsinn".

Die TA-Media-Gruppe gibt unter anderem das Qualitätsblatt Tages-Anzeiger (Auflage: 280.000 Stück) heraus, engagiert sich aber neuerdings mit Zürich Express (Auflage: 200.000 Stück) ebenfalls am Gratis-Markt, um gegen die Konkurrenz bestehen zu können. "Wir sind der dominierende Player im Markt Zürich und werden diesen auch sehr kostenintensiv verteidigen", so Zimmermann. Ein Markt wie Zürich sei jedenfalls zu klein. Sacha Wigdorovits ist da anderer Meinung: "Wir erschließen neue Leserkreise und mischen den Anzeigenmarkt neu auf". Zimmermann: "Man muß unterscheiden: der Lesermarkt verträgt mehrere Gratiszeitungen, nicht aber der Anzeigenmarkt. Das ist ein Refinanzierungsproblem". Eine Gefahr für die traditionellen Zeitungen sieht Zimmermann aber nicht: "Die Gratisblätter sprechen eher junge Leser an, also eine Gruppe, die von den herkömmlichen Zeitungen bisher sowieso nicht bedient wurde".

"In Zürich ist das Experiment mit den Gratisblättern deshalb nicht ordentlich geglückt, weil man den Anzeigenmarkt vorher nicht sondiert hat", ist Hans Auer überzeugt. "Wir werden das tun, deshalb wird die WUZ auch ein Erfolg". In drei Jahren will Auer schwarze Zahlen schreiben. TA-Media-Manager Zimmermann: "Ohne potenten Partner, der eine ausgefeilte Logistik hat, wird es Herr Auer schwer haben".

Was in Zürich schon Schule gemacht hat, wird ab Herbst jedenfalls auch über Wien hereinbrechen. Krone-Boß Dichand meinte schon vor einiger Zeit, daß es eine Gratiszeitung bald "todsicher" geben werde.

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