Zweifel an der Moral

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Die moralische Instanz des Landes ist ganz und gar entrüstet: "Wider die Menschenwürde" und "Sklaven-TV" schrie es aus Helmut Zilks letztwöchiger Kolumne in tv-media. Worüber sich Wiens emeritiertes Stadtoberhaupt so echauffierte: In Holland drehte sich die Spirale der TV-Show-Unsäglichkeiten weiter. Nach Big Brother (beim deutschen Pendant wurde letzten Sonntag Zlatko, der liebste Macho des deutschen TV, aus der Sendung hinausgewählt ...) folgte Der Bus, wo eine Gruppe in einem Autobus durch die Lande tourt und von Kameras beobachtet wird. Und jetzt startete - was Helmut Zilk gar zur Frage veranlaßte, "wie lange sich ,Kulturvölker' sich noch demütigen lassen" wollten - bei den Niederländern die Show Gefesselt: Fünf Personen werden dabei aneinandergekettet und müssen es eine Woche unter Kamera-Aufsicht miteinander aushalten.

Josef Andorfer, österreichischer Boß von RTL II, wo Big Brother zur Zeit läuft, meldete jedenfalls schon Interesse an einer deutschen Version von Gefesselt an. Ob der Aufschrei von Zilk & Co diese Entwicklung aufhalten kann? Wohl kaum: Deregulierung und Privatisierung haben gerade im Medienbereich eine Kehrseite. Und die lautet, daß es für Dummheit und Unsäglichkeit keine Grenzen nach unten gibt: Marktgesetze sind keine moralischen Kategorien; daß Medienunternehmen daher nur nach Quoten schielen, ist die logische Konsequenz.

Der Befund betrifft beinahe alle Beteiligten: Auch tv-media, via das Helmut Zilk seine Empörung verbreitet, schielt auf die Marktanteile und entscheidet sich im Zweifelsfall für quotenträchtige Niveaulosigkeit, wobei es immer - siehe die neue Fessel-Fernsehshow - Steigerungsstufen gibt.

Doch wer definiert in derartigem System Mindeststandards an Qualität - sei es in Printmedien, sei es im TV? Ein bißchen political correctness, wie sie Helmut Zilk im letzten tv-media betreibt, löst an der Problematik nämlich nichts.

Wir vermuten noch einiges: Denn moralische Entrüstung zur rechten Zeit ist auch gut fürs Geschäft. Wenn sich tv-media also für "die Menschenwürde" stark macht, nehmen wir das natürlich ernst. Aber es gelingt uns schwerlich, die Ernsthaftigkeit der Motive der tv-media-Macher für bare Münze zu nehmen.

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