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Raimund im Norden

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BAIMUND-ALMANACH. Herausgegeben von der Raimund-Ge.Seilschaft. Bergland-Verlag, Wien. 120 Seiten, 12 Photos. Preis 38 S.

Die Raimund-Gesellschaft, personifiziert in ihrem Spiritus rector, dem unermüdlichen Sachwalter österreichischer Dichtung und Kultur Hofrat Dr. Gustav Pichler, legt die Vierte Folge ihres Almanachs vor und hat für die Raimund-Freunde ein richtiges „Zuckerl” parat, um im gebotenen Ton zu bleiben: nämlich die erste deutsche Übersetzung von Hans Christian Andersens Märchenkomödie „Mehr als Perlen und Gold”, die ihrerseits wieder nichts anderes ist als eine mehr oder weniger freie Bearbeitung und Skan- dinavisierung von Raimunds Zaubermärchen „Der Diamant des Geisterkönigs”. Andersen schrieb seine Version für ein Kopenhagener Volkstheater, wo das Stück, als Vaudeville inszeniert, vom Publikum sehr beifällig aufgenommen wurde. Mit der Publikation im Almanach — die Übersetzung stammt von Friedrich Karl Waschnitius — wurde ein zweifacher Zweck erreicht: wir lernen den liebenswürdigen Märchendichter aus dem Norden als einfühlenden kundigen Bearbeiter eines Bühnenwerkes kennen, und gleichzeitig erweist sich wieder einmal — und dies sogar bei einem seiner schwächeren Werke! — die weit über den Rahmen wienerischen Lokalkolorits weisende Strahlungskraft von Raimunds Genie.

Außer dem kompletten, mit theatergeschichtlichen Anmerkungen versehenen Text von „Mehr als Perlen und Gold” (auf dem Einband leider sinnstörend als „Mehr Perlen als Gold” betitelt) enthält der Almanach auch eine vergleichende Betrachtung, in der Dr. Karl Gladt Raimunds Zaubermärchen „Moisasurs Zauberfluch” der reichlich witzlosen zeitgenössischen Travestie „Moisasurs Hexenspruch” von Karl Meisl gegenüberstellt, und die Schlußszene von Piero Rismondos „Wiener Mysterium” „Raimund”, das in den dreißiger Jahren im Deutschen Volkstheater gespielt wurde und in jener eigenartigen geistigen und wesensmäßigen Sphäre zwischen wienerischer Feenwelt und dämonisier- tem altösterreichischer Amtsstube beheimatet ist, dem auch das Werk Herzmanovsky-Orlandos entstammt. Austriaca-Sammler sollten das liebevoll ausgestattete und dabei wohlfeile Bändchen auf jeden Fall in ihre Bibliothek einreihen.

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