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GUSTAV PICHLER / OER HOFRAT AUF DER ZAUBERINSEL

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Damit die zahlreichen Auslandsösterreicher in Istanbul wieder einmal das „Hobellied“ hören, fuhr Hofrat Dr. Gustav Pichler, von Beruf Kulturreferent der Salzburger Landesregierung, aus Berufung aber Arbiter Rai-mundiarum, an den Bosporus, veranstaltete einen Coupletabend und hielt außerdem am Germanistischen Seminar der Universität Istanbul einen Vortrag über das österreichische Volkstheater der Biedermeierzeit

Einige Wochen seines Beamtenurlaubs verbracht der Einund-

sechzigjährige mit dem markanten Profil dann in Klagenfurt, wo er beim „Verschwender“ Regie führte. „Die einzige Neuinszenierung zum 175. Geburtstag Raimunds!“ grollt Pichler und legt die Stirn in Rappelkopf-Falten. „Weder die Josefstadt noch das Volkstheater, das den Dichter in effigie ja vor dem Bühnentürl sitzen hat, haben dem bedeutsamen Termin, der noch dazu in die Wiener Festwochen fiel, Rechnung getragen.“ Dafür gastierte das Klagenfurter Ensemble in dessen und spielte in Büchners Geburtsstadt Raimund.

Als Positivum bucht der energische Hofrat, der den direkten Seitenpfad der geistigen Privatinitiative lieber beschreitet als den offiziellen Instanzenweg mit seinen Zwischenstationen, daß er in seiner Eigenschaft als Initiator der Ferdinand-Raimund-Gesellschaft mit der Anregung durchdrang, eine Raimund-Marke herauszubringen. Im nächsten Jahr soll das Bildnis des Dichters eine neue 25-Schilling-Münze zieren, später wird wahrscheinlich eine Raimund-Banknote folgen.

Seine Liebe zur Welt des wienerischen Zaubermärehens entdeckte Pichler schon als Schottengymnasiast, bei Auf-

führungen der „Klosterspiele“ unter Georg v. Terramare. Die Sprechausbildung ergänzte die ersten Bühnenerfahrungen, aus dem Amateur wurde ein Zünftiger, der als Charakterdarsteller und Regisseur an verschiedenen Theatern zwischen Rostock, Bern und Innsbruck wirkte. Nebenbei studierte er Jus; wenn er von der Probe nach Hause kam, legte er das Rollenbuch weg und nahm die Skripten vor. 1930 promoviert, wechselte Dr. Pichler in die Anwaltslaufbahn über, bis man ihn während des Krieges im Rahmen der Truppenbetreuung wieder auf die Bretter holte. 1945 nach Salzburg verschlagen, wurde er zunächst Richter und schrieb außerdem Theaterkritiken. Als Jurist und Theatermann übernahm er schließlich das Kulturreferat der Landesregierung.

Am Vortragspult, mit zahlreichen Veranstaltungen und bei Verhandlungen, deren Ergebnis die Miete eines historischen Objekts und die Einrichtung der Raimund-Gedenkstätte in Gaaden bei Mödling war, setzte der musische Beamte traditionsreicher Prägung seine Bemühungen im Dienst seines Lieblingsdichters diesseits und jenseits der Grenzen fort. Mit der Edition von Raimunds Werken in der öster-

reichreihe des Bergland-Verlages verfolgt Pichler, wie er betont, kein germanistisch-theaterwissenschaftliches Ziel, sondern will dem Schauspieler praktisch verwendbare Texte, richtige „Rollenbücheln“ in die Hand geben. In dem Band „Der unbekannte Raimund“ publizierte er aufschlußreiche Briefe und Selbstzeugnisse, während er im „Raimund-Almanach“ des Jahres 1963, ebenfalls im Berg-land-Verlag erschienen, Kennern, ein besonderes „Zuckerl“ bot, nämlich die erste deutsche Übersetzung (F. K. Waschnitius) von Andersens Märchenspiel „Mehr als Perlen und Gold“, ein Stück, das seinerseits eine freie Bearbeitung von Raimunds „Diamant des Geisterkönigs“ ist. Sinngemäß schlössen sich die Neuausgaben von Werken Nestroys und Anzen-grubers an. Außer den Klassikern des Wiener Volkstheaters gehört Gustav Pichlers große Liebe den Tieren und er findet immer noch Zeit, auch hier an prominenter Stelle tätig zu sein. Er legt eben, um es im Stile Raimunds zu sagen, nie den Hobel hin, sondern setzt ihn unverdrossen an. Daß dabei mitunter Späne fliegen, die anderen ins Auge gehen, nimmt er als gelernter Österreicher um der Sache willen in Kauf.

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