Geläuterte Querköpfe

Werbung
Werbung
Werbung

Publikumswirksame Raimund-Premieren im Volkstheater und Josefstädter Theater in Wien.

Wie spielt man heute Ferdinand Raimund? Der Zufall wollte es, dass zwei große Wiener Bühnen fast gleichzeitig Premieren von Hauptwerken des großen Dramatikers ansetzten. Sieht man von einzelnen Parallelen ab - in beiden Fällen dominiert zum Beispiel eine Berglandschaft den Hintergrund - gingen die Inszenierungen unterschiedliche Wege.

"Der Alpenkönig und der Menschenfeind" im Theater in der Josefstadt schließt dort an, wo die Ära Lohner mit Molière endete: bei der Misanthropie. Hans Gratzer, der neue Hausherr, und Hanspeter Horner servieren das "romantisch-komische Original-Zauberspiel" als das, was es ist: das Raimund selbst vertraute Psychogramm eines Menschenhassers, der erst in größter Verzweiflung bereit ist, sich in den Spiegel zu schauen, um sich selbst zu erkennen.

Dieser Rappelkopf (der sehr gute, aber manchmal überzeichnende Herbert Föttinger) ist selbst ein Leidender und lässt seine ganze Umgebung, vor allem seine Frau Sophie (eine sehr glaubwürdige Sandra Cervik) leiden. Die Musik ist weitgehend auf Stimmungen ausdrückende Piano- und Violinklänge reduziert, der Text von schwulstigen Passagen befreit, die Geisterwelt beschnitten - der Alpenkönig (ein wandlungsfähiger Erich Schleyer) wirkt im entscheidenden Moment wie die innere Stimme der Hauptfigur. Reichlicher Beifall bewies bei der Premiere, dass die Josefstadt endlich in dieser Startsaison der Ära Gratzer einen Publikumserfolg verbuchen kann. Dazu trug das ganze Ensemble bei, vor allem auch Bernadette Abendstein als Lieschen und Ossy Kolmann als Habakuk.

Während man sich in der Josefstadt an Raimunds Text hält und durch die Kürzungen das Wesentliche herausschält, setzt das Volkstheater auf Action und reichliche Zutaten zum Text und gibt den Geistern und Zauberern noch mehr Text und Raum als Raimund. Auch "Der Bauer als Millionär" ist ein Querkopf, dessen Charakter durch das Geld verdorben wurde, der aber am Ende geläutert wird. Die Einfälle von Regisseur und Bearbeiter Stephan Bruckmeier lassen zwar manchmal Witz erkennen, wirken aber oft wie für das Theater der Jugend entworfen: Hebefiguren und Pirouetten wie beim Eiskunstlauf, Verfolgungsjagden über die Bühne. Und die Idee, Rollen einmal mit dem anderen Geschlecht zu besetzen, ist auch nicht neu.

Der Bauer Fortunatus Wurzel (umwerfend gut: Erwin Steinhauer) nimmt hier nicht von der sonst weiblichen Jugend, sondern von seiner männlichen Jugend (passend dargestellt von dem nicht ganz schlanken Dominik Kaschke) Abschied. Diese Szene und die Aufwartung des Hohen Alters (der erwartet großartige Auftritt von Fritz Muliar) sind und bleiben die Höhepunkte dieses Stückes. Lacherfolge heimsen noch besonders Günter Franzmeier als ungeschickter Neid und Viktoria Schubert als zynischer Hass ein.

In beiden Theatern enden die Vorstellungen mit an den Schluss verlegten Couplets. In der Josefstadt rundet das Lied, in dem sich Rappelkopf selbst als großer Narr erkennt, das Raimund-Stück gut ab. Im Volkstheater läuft der Abend darauf hinaus, dass Wurzel alles nur geträumt hat und sich mit dem Aschenlied samt Zusatzstrophen verabschiedet. Auch hier applaudierte das Premierenpublikum sehr lange.

Linz: Raimund ernst genommen

Meret Barz hat sich in der Inszenierung ihrer von barockem Ballast befreiten Fassung "Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär" von ihrem Gespür für ein sich offenbar wandelndes Zeitgefühl leiten lassen: für die Sehnsucht der Menschen nach den wesentlichen Werten des Lebens. Obwohl sowohl die poetische Macht des Zaubermärchens mit ihren ewigen Wahrheiten wie farbenfrohe Fantasie und Humor gewahrt bleiben, führt Barz ihr ausgezeichnetes Ensemble vor einem ernsten bis melancholischen Hintergrund zum wundersamen Happyend, dabei der Natur Raimunds, der sich stets als ernster Dichter sah, folgend. Das gesamte Produktionsteam durfte sich über seinen großen Premierenerfolg freuen.

Margret Czerni

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung