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Marchen des Lebens
Raimund spielen, stellt immer die Frage, wie man diese heiteren, jenseits aller abstrakten Anstrengung tiefsinnigen, komisch bitteren Zauberspiele im Zusammenwirken von Schauspieler, Maschinist und Dichter dem heutigen Publikumi nahebringt. Hat es überhaupt noch ein Verlangen nach diesem märchenhaften Theatrum Mundi? Oder findet es gerade in dieser Gegenwart der scharfen Spaltungen und bedrohlichen Fernsichten etwas wie vergnüglichen Trost an dem warmen Menschtum Raimunds umd seiner mit rein szenischen Mitteln aus dem Theater geschaffenen Dichtung? In das romantisch-komische Zauberspiel „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ muß viel vom eigenen, stark mit Galle versetzten Wesen Ferdinand Raimunds geflossen sein. In der Gestalt des Menschenfeinds Rappelkopf, dieser ins Absolute gesteigerten Wiener Grantigkeit, ist Raimund bei aller poetischen Naivität und allen Floskeln des barocken Zaubertheaters eine erstaunlich moderne Existenzerhellung geglückt: Der Mann, der nicht eher seinen purer Lebensangst entspringenden Menschenhaß überwindet, bis er in rasender Verblendung gegen sein eigenes Ebenbild gewütet hat. Wie Raimund diese Existenzerhellung und -reinigung zwischen Dämonie und Heiterkeit vorantreibt, wie er sprachlich die schweren Melancholien auflichtet und eine theatralisch und komödiantisch gleicherweise genial anmutende Lösung findet, das ist bis heute ein einsamer Glücksfall echten Volkstheaters geblieben. „Eine Anlage“, hat Grillparzer über den bis zur Bösartigkeit widerborstigen, in tiefen Wahn verstrickten Menschenfeind in seinem Tagebuch vermerkt, „wie sie vortrefflicher Moliere nicht hätte erdenken können.“
Die eher das Drastische bevorzugende Aufführung im Burgtheater unter Rudolf Steinboeck stand im Zeichen der Brüder Hörbiger. Paul gibt den Alpenkönig weniger als wienerischen Zeus, sondern mehr als jovialen Erzherzog (Johann), der gelegentlich aus einer Dampfwolke hervortritt oder dahinter verschwindet. In seinem Jägerhabitus, das Gewehr über die Schultern, schien er direkt einem Genrebild entsprungen, wie es Anno dazumal über den Sofas zu hängen pflegte. Attila spielte die Zwiderwurzn von Rappelkopf komödiantisch aus. Der ins Unheimliche und Dunkle gesteigerte böse Geist, von dem der Alpenkönig in der ersten Szene spricht, blieb in der Gestalt des Menschenfeinds wie in der gesamten Auffassung des Stückes völlig unterdrückt. (Also war es nur ein halber Raimund.) Alma Seidler spielte die schlichte (vierte) Frau Rappelkopf bisweilen in eine etwas zu weinerliche Simplizität hinüber. Dagegen erreicht Rudolf Rhomberg als Bedienter Habakuk einen beachtlichen Grad von Komik. Lotte Ledl ist das resche Stubenmädchen Lieschen mit echt wienerischem Mundwerk. Christi Erber und Heinz Ehrenfreund spielten sympathisch das junge Liebespaar. Mißglückt ist die Geisterszene der drei verstorbenen Frauen Rappelkopfs, blaß bleibt auch die (in ihrer Realistik unerhörte) Szene in der Köhlerhütte. Alexander Steinbrecher hat die Wenzel-Müllerschen Sangesweisen und Zwischenspiele neu arrangiert und ausgiebig verwendet. Die teils naturalistischen, teils märchenhaften Bühnenbilder von Lots Egg sind gefällig; großartig in der malerischen Bildwirkung die zwischen Fels und Abgrund schwebende Postkutsche. Die Aufführung fand lebhaften Beifall.
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