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Es rappelt der Holzer…

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Wenn der Doktor Peter Janisch den Zauberstab eines Beherrschers der Feenwelt hätte, dann wär’s leicht. Eine Handbewegung genügte, und im Spielbereich vor dem Pavillon des Melker Stiftsparks würden sich Versenkungen öffnen und tragfähige Züge aus dem Sommerhimmel herabsenken, Szenerien würden im Hui wechseln, kurzum die magische Maschinen-Comödi käme mit allen Verwandlungen, Effekten und Illusionen in Gang, wie es für Raimunds Geniewerk „Der Alpenkönig und der Menschenfeind" im Büchel steht. Wenn der Doktor Janisch Zaubermacht besäße, würde er auch alle Windgeister, Wetterhexen und Zu- fallsdämontscherln aus dem freundlichen Lustgehege über der Donau verbannen, sobald er dort mit seinen Herren Acteurs, den Madamen und Demoisellen Actricen und denen Herren Musicanten das Schaugerüst aufschlägt, um, wie in jedem July, eine ergötzliche theatralische Kostbarkeit zu produzieren beziehungsweise zu „executiren“.

Da er jedoch kein Magier ist, wohl aber ein sehr guter, grundgescheiter Regisseur, ging er mit sich zu Rate, wie denn das „Romantisch-komische Originalzauberspiel“ des unsterblichen Ferdinand unter den gegebenen Umständen, mit der zauberischen Hilfe des Genius Loci, vor der Fassade des heiteren Gartengebäudes und der heckengesäumten Wege zu verwirklichen wäre, ohne dazu just die Alpenregionen zu beschwören.

Janisch tat es mit Überlegung und seiner leichten Hand. So erbrachte das Beginnen wieder einen Abend im „Melker Stil“, wie man füglich sagen kann. Mit einem Minimum an Dekorationen, die tänzerisch bewegte dienstbare Geister aufs Podium stellten und ebenso tänzerisch bewegt wieder verschwinden ließen. Astragalus mußte zwar auf seinen Eispalast verzichten, aber eine von Mungenast erbaute Sommerresidenz ist auch nicht zu verachten.

Dieser Alpenkönig ist ja, wenn man es recht bedenkt, eine märchenhafte Überhöhung des Erzherzogs Johann in Personalunion mit dem guten Kaiser Franz, jedenfalls ein österreichischer hoher Herr durch das verklärende Prisma der Volks phantasie gesehen, in geheimnisvollen Fernen waltend und zugleich vertraut. So spielt ihn Peter Gerhard. Ein Geisterfürst mit weidmännischer Ischler Noblesse, hinter der elementare Naturdämonie aufblitzt. Wenn der Alpenkönig den Privatier Rappelkopf durch die Konfrontation einer Roßkur der Läuterung unterwirft, dann findet Gerhard in Stimme, Mimik und furioser Gebärde dafür kräftige Valeurs, um schließlich zum guten Ende erhabene Milde auszustrahlen, ein Sarastrc aus dem Lande der Jodler.

Als Rappelkopf präsentiert sich Fritz Holzer. Und er rappelt, daß es eine Art hat, bald verbissen lauernd, bald unbeherrscht schreiend. Seine fixen Ideen haben ihn in die Enge getrieben, zum Misanthropen, zum Haustyrannen gemacht. Astragalus muß ihn schon fest beuteln, damit er, erst widerwillig, endlich Vernunft annimmt und in der Selbsterkenntnis wieder das wird, was er im Grund eigentlich ist: ein guter Kerl. Holzer legt die Figur weniger auf abschattierte psychologische Wirkungen der Zerrüttung, weniger auf das Selbstporträt des innerlich gehetzten Nervenmenschen Raimund an als auf saftiges bodenständiges Komödiantentum, auf einen aggressiven auftrumpfenden Spinner. Das aber mit Verve und vollem Einsatz seiner Stärke in diesem Genre.

Der geplagten Frau Antonie gibt Marianne Schönauer schlichtes Bürgertum des Biedermeier und die menschliche Wärme einer weiblich empfindenden, wahrhaft schönen Seele. Da schleicht sich kein larmoyanter Ton ein, da spricht nur Herzensbildung. Eine nuancenreiche Leistung. Sonnig und gelöst Gabriele Jacoby als Tochter Malchen, gewinnend als unausgegorener Schwärmer der August Dorn von Michael Herbe.

Inge Rosenberg ist ein von allen guten Geistern der Raimund-Welt gesegnetes resches, zungenfertiges Kammermädchen, Oskar Wegrostek ein Prachtstück von einem Diener Habakuk, köstlich im Kamnf um seine — harmlose — fixe Idee, die ihm den Inbegriff aller Selbstachtung bedeutet.

Nicht zuletzt: Dank an Norbert Pawlicki, der mit seinen Wenzel- Müller-Paraphrasen erfreut. Wieder einmal nahm man aus Melk schöne Erinnerungen mit.

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