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Sommernachtsphantasie

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Bernhard Paumgartner erzählt, daß Max Reinhardt während einer katastrophal verregnetem „Faust“-Aufführung in der Felsenreitschule verbissen vor sich hinmurmelte: „Nördlich von Verona soll man keine Freiüchtspiele veranstalten!“ Doch der landschaftlich bestechende Reiz der Schauplätze verlockt immer wieder zum Wagnis.

In Melk zum Beispiel, wo die Eröffnungsvorstellungen der Sommerspiele eigentlich immer ohne Störungen abliefen, meist sogar vor dem Hintergrund eines wolkenlosen Sommerabendhimmels. Immer — bis auf heuer. Das verflixte siebente Jahr. Vor einem ausgiebigen

Wachauer Guß verstummt sogar der leidgewohnte Aschenmann. Mit des Geschickes Mächten...

Viele waren gekommen und aide bangten in der wolkenschweren Dämmerung vor Beginn mit dem Regisseur Peter Janisch. Eine Million für ein Regendach, um es stilgerecht zu sagen, denn auf dem Podium vor dem Parkpavillon sollte ja Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“ in Szene gehen. Und dann klappte zunächst alles. Eine zitternde Freude, doch jedenfalls eine Freude, diese biedermeierliche Menschheitsparabel vor dem sonnengelben Barock der Fassade zu erleben. Janisch, der selbst den Bustorius spielte, einen sanguinischen Geisterfeschak vom gewichsten Schnurrbart bis zu den gewichsten Stiefeln, konturierte in seiner Regie alles, was Raimunds großes wienerisches Feen- und Welttheater gedanklich mit der „Zauberflöte“ und auch mit — Grillparzers „Der Traum ein Leben“ gemeinsam hat. Damit verbindet sich Janischs wahrhaft reinhardtisches Talent, zauberhafte Sommernachtsphantasien zu beschwören.

Der Fee Lacrimosa gab Inge Rosenberg sehr ergötzlich das rosenrot-himmelblau Sentimentalische, den Tonfall des Damenjours, des schöngeistigen Kaffeeplauscherls, und die Attitüde einer mit ihrem harten Los kokettierenden Trauerweide. Fritz Holzer, Melker Säule von Anbeginn, wechselte mit Glück von der harben Weanersprach zur schwäbelnden Betulichkeit des Magiers Ajaxerle, ein humoriger Patron mit dem Zau-berstab im Westentaschel des Kleinbürgers.

Für den Fortunatus Wurzel hatte man Harry Fuß gewonnen. Er stattet die Figur mit vielen Facetten aus, das Auftrumpfende ist da, das Laute, die Vermessenheit und das verkniffen Lauernde. Ein simples Gemüt, das mit dem plötzlichen un-bewäMigten Reichtum konfrontiert ist. Freilich, dieser Wurzel hat wenig

Rustikales an sich, man glaubt diesen Händen, die bedenkenlos die Dukaten zum Fenster hinauswerfen, nicht die Schwielen des Pflugs. Dafür dominiert eher das Parvenühafte, Quecksilbrige eines verflixten Kerls, eines Roßtäuschers, der sich's auch mit dem Schicksal richten will. Die Wandlung zum Aschenmann blieb Skizze, ein paar Sätze, mit brüchiger Greisenstimme in den heftig einsetzenden Regen gesprochen. Schade.

Einen besonders gurten Griff tat Janisch mit der Besetzung der Zufriedenheit durch Marianne Schönauer. Eine österreichische Dame betritt im Gewand der Allegorie die Bühne. Ihr fraulicher Charme ist die heitere Gelassenheit der Reife, ihre Würde die Einfachheit. Eine noble, nuancierte Leistung. Warum sieht man die Schönauer anderwärts so selten?

Dem jungen Paar allerdings macht nicht nur der Starrsinn des Stiefvaters Wurzel zu schaffen. Ingrid Malinka ist ein bemühtes, doch noch anfängerhaft gehemmtes Lottchen, Herbert Pachler spielt den Fischer-Karl als ungestüme Charge entre deux äges. Linda Feer legt die Jugend etwas zu sehr auf Soubrettentöne an, sehr gelockert, doch ohne die Pastellschattierung einer untergründigen leichtsinnigen Melancholie. Zu äußerlich auch Korl Augustin in der Rolle des hohen Alters, keinen Moment blitzt die dämonische Urgewalt auf. Dabei ist diese prächtige Symbolgestalt ein Schatz des österreichischen Volkstheaters, eine Prä-flguration von Schönherrs altem Grutz.

Rudi Schippel (Neid) und Peter Gerhard (Haß) bieten flackerig irr-lichterndes Zauberspiel mit bewußt übersteigertem Pathos. Ein Kabinettstück: Hans Melton als skurriler kichernder Amtsdiener im Reich der bösen Geister. Saftig mimt Franz Muxeneder die Bauemschläue eines durchtriebenen Opportunisten in Lakaienlivree.

Norbert Pawlicki, der Treffliche, erfreute durch eingängige, diskrete Modernisierung von Josef Drechslers Bühnenmusik. Doch als es herzhaft zu schnürln anfing, ging es in der Musikerlaube zu, wie bei Haydns Abschiedssymphonie. Kein Wunder, daß die Herren ihre wertvollen Instrumente rasch unters Dach bargen. In Sekundenschnelle hatten sich die Zuschauertribünen in schwarze Rie-sencbampignonkolonien verwandelt. Der Beifall unter dem Gewirr der Schirme war kurz, doch nicht weniger herzlich, als man es sonst in Melk gewohnt ist.

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