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„So viele läppische Kleinigkeiten“

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"... wurde ich schon kühner und erfand mir selbst einen Stoff, und so entstand der ,Bauer als Millionär“, in dem sich so viele läppische Kleinigkeiten befinden, die ich nur so angebracht habe, weil ich fürchtete, das Publikum möchte ihn zu ernsthaft finden.“ Gar so hart (wie Ferdinand Raimund in seiner Selbstbiographie) wollen wir die „Kleinigkeiten“ in dem romantischen Originalzaubermärchen mit Gesang „Der Bauer als Millionär“, das ursprünglich „Das Mädchen aus der Feenwelt“ hieß, nun doch nicht verurteilen. Gewiß verführen die Szenen im Feen- und Zauberreich zu neckischen und läppischen Übertreibungen, wuchert die Choreogra phie, gerät selbst das fast volksliednahe „Brüderlein fein“, wenn die Szene breit ausgewalzt wird, ins Sentimentale und die Moral für das Publikum ins Lesebuchhafte. Aber da ist Raimunds manchmal bis zur Ironie reichender Humor, mit dem er die ganze Geistergesellschaft ausgestattet hat, die selbstverständliche Glaubhaftigkeit von Jugend und Alter, mit der dieser Zauberer der Bühnenanschauung mit rein szenischen Mitteln Dichtung aus dem Theater schuf. Wiener Theater, wie es vom Barock her auf seine Zeit gekommen war. Im irdischen Raum’ ist es •-vor’ allem der „millionär- rische“ Waldbauer Fortunatus Wurzel, der sich vom übermütig prassenden Millionär zium bescheidenen Aschenmann wandelt und am Ende das ihm von den bösen Geistern aufgelistete sündhaft viele Geld gegen die Zufriedenheit eintauscht; hier ergreift das Menschlich-Hilflose dieses Spielballs unter- und oberirdischer Mächte. Neben ihm der egoistische, boshafte Flegel von Kammerdiener und Knecht. Solange Raimunds Gestalten Mundart sprechen, wirken sie anschaulich, ali- gemein verständlich, niemals gekünstelt. Erst dm Bereich der Allegorie werden sie pathetisch und skurril, verlieren sie an Kraft und Selbstverständlichkeit.

In der zwei Tage vor Torschluß angesetzten Premiere im Burgtheater (sicherlich ein Kuriosum in der europäischen Theaterwelt) dominierte Attila Hörbiger als Fortunatus Wurzel. Man glaubt ihm den wild und deib auftrumpfenden, van einer gewissen Dämonie umwitterten Neureichen ebenso wie den jählings Ergrauten, den vorn Schicksal Heimgesuchten. Weit und breit (nicht nur in Österreich) wird sich kaum ein besserer Interpret dieser Rolle finden lassen. Neben ihm bestanden Hans Obonya als perfider Kammerdiener Lorenz und Paul Hörbiger als Bosnickel von einem Alten „aus Eisgrub“, der die farblose Jugend von Helma Gautier ablöste. Paula Wessely sprach herzhaft und schlicht die wie einem Schullesebuch entschlüpfte Fee Zufriedenheit. Ansonst huldigte Regisseur Rudolf Steinboeck allzu sehr einer üppigen Versinnlichung, die in den Ballettszenen (Karla Denk- Kuna) ans Operettenhafte grenzte, in den gruselig-grotesken Haß- und Neidszenen und in der Zauberkegelszene an die Geisterbahn im Prater gemahnte. Dem entsprachen bisweilen auch die Bühnenbilder von Lois Egg, die Kostüme von Ernie Kniepert und selbst die von Paul Angerer arrangierte Originalmusik, die Josef Drechsler seinerzeit nach Raimunds eigenen Melodien komponiert hat. Was dem immanenten Barock des Werkes als Schnörkel hätte dienen sollen, überwucherte den Emst, den Raimund hinter dem Zaubermärchen verbarg. Bleiben noch einige Mitwirkende zu nennen; Johanna Matz und Heinz Ehrenfreund spielten frisch und munter nach Schablone die Liebenden, Annemarie Düringer verlieh der tränenseligen Fee Lacrimosa einige parodistische Züge, und die Zauberer Ajaxerle aus Schwaben (Peter Strie- beck), der als Anfänger beim Zauber „immer erseht im Büchle nachschaue“ muß, sowie der echt magyarische Bustonius aus Waras- din (Wolf Albach-Retty) sorgten für Humor.

Das Publikum feierte Attila Hörbiger, der anläßlich seines 70. Geburtstages vor den Vorhang treten durfte, stürmisch. Bleibt die Frage: ob und wann man denn in Wien wieder einmal einen echten, von allem modischen Zutaten freien Raimund oder Nestroy zu sehen bekommen wird.

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