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„Alpenkönig“ in Salzburg

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Wenn in diesem Jahr das Raimundtheater seinen 75. Geburtstag federt, wird auch das Salzburger Landestheater unter den Gratulanten in Wien erscheinen und mit einer Aufführung von Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ gastieren. Da eben jene Inszenierung Gandolf Buschbecks, mit der wir uns heute zu befassen haben, als Gastgeschenk dargeboten werden soll, scheint es angemessen, sie unter dem Aspekt solch erhöhten Anspruchs zu betrachten.

Raimund nannte sein großes Gedanken- und Seelendrama bescheiden ein romantisch-komisches Zauberspiel. Wenn nun bei Buschbeck das Komische vor dem Romantischen auch dominiert, kommen doch beide zu ihrem Recht, und so darf man es gelten lassen. Nur daß die Zaubersphäre des Alpenkönigs gleichfalls ins Komische und damit ins Profane gerät, ist schade. Denn Raimunds dichterische Konfession soll in ihr theatralische Erscheinung werden, durch Sprache und Bild, und diese Forderung bleibt unerfüllt. Im Bemühen um Belebung und Lockerung geschieht vielleicht des Guten etwas zu viel. Die an sich reizenden Einlagen des Corps de ballet hemmen da und dort den Fluß der Handlung und werden dann als Längen empfunden. Insbesondere die zwischen die Strophen des Schlußliedes eingeschobenen Tänze lenken vom Wesentlichen ab und zerhacken die Einheit des Abgesangs. Die Bühnenbilder von Ady Fuchs zeigen das Reich des Alpenkönigs im Stil altvaterischer Kolossalgemälde. Daß Astragalus während der ersten Szene als Erzherzog-Johann-Denk- mal mit Bart auf einem Felsaufbau steht, ist keine glückliche Lösung.

Von den schauspielerischen Leistungen ist an erster Stelle der Herr von Rappelkopf Fritz Lehmanns zu nennen. Wer jenen Jahrgängen angehört, die noch einen Alexander Girardi erlebt, einen Willy Thaller und Rudolf Tyrolt als Rappelkopf gesehen haben, wird vorbehaltlos einräumen, daß Lehmann an diese erlauchte Reihe anschließt. Nicht als Epigone, sondern mit einer eigenen, neuen, aus dem Geist unserer Zeit gewonnenen Auffassung. Er stellt einen hochbrisanten Menschenfeind, einen von seiner eigenen Dynamik gehetzten Manager des Hasses, den innerlich vereinsamten Egoisten im Zeitalter der existentiellen Angst, auf die Bühne. Für die Rolle des Alpenkönigs ist Raimund Kuchar, sonst ein schätzenswerter Schauspieler, nicht die ideale Besetzung. Sein Astragalus ist ohne Hoheit, ihm fehlt die große Melodie, zu der sich die Sprache in den Versen des Dichters aufschwingt. Er wirkt zwar durchaus sympathisch, aber wie ein gemütlicher Oberförster, und diese Vermenschlichung des Geisterreichs verdunkelt den Sinn der Dichtung. Hertha Mayen bringt für die Rolle der Antonie frauliche Noblesse, Natürlichkeit und Sprechkultur mit. Das Malchen Gabriele Jakobis ist ein Bild liebenswerter Mädchenhaftigkeit. Als ihr keckschnabeliges Kammermädchen wirbelt Gerti Gordon über die Bühne, und Gerhard Bal- luch erfüllt mit schwärmerischem Feuer die Gestalt des verliebten August. Als Silberkern bewegt sich Herr Tomaselli mit altfränkischer Grazie. Das naturalistische Element der Dienerschaft und der Kohlenbrennerfamilie tut seine Wirkung. Hier ragt Kurt Strauß als dummgravitätischer Habakuk mit einer gewichtigen Komikerleistung hervor. Der musikalische Leiter Friedemann Layer kostet mit Behagen aus, daß er so ausgiebig zum Zug kommt. Der Erfolg blieb Buschbeck auch diesmal treu. Es gab viele Vorhänge.

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