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Held der Einsamheit

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Er hat von der Welt gekostet und ist toll davon geworden, Heilung ist möglich, durch Astralgus, den Alpenkönig. Doch diesen gibt es nur in Raimunds Märchen, und dort läßt ihn Regisseur Michael Gruner auch. Er geht in seiner Inszenierung von „Der Alpenkönig und der Menschenfeind” Raimunds Text auf den Grund. Raimund sitzt am Rande der dunklen Bühne an seinem Schreibtisch und harrt der Vorführung seines Stücks ähnlich seinem Helden Rappelkopf, der sich später in der Gestalt seines Schwagers selbst beobachtet.

Zauberhaftes wird im Volkstheater Wirklichkeit: ein Ensemble, das den Text auch wirklich versteht: Vera Bo-rek als realitätsnahe Ehefrau, Rudolf Jusits als menschenfreundlicher Alpenkönig, der schützen und helfen will, das verliebte Paar, glaubwürdig durch Alexandra Braun und Günter Franzmeier, und das (vor)witzige Dienerpaar von Franziska Sztavjanik und Toni Böhm. Doch das Lachen bleibt einem dabei im Halse stecken, denn in der Tat ist Raimund keineswegs der Autor lieber, lustiger Stücke für eine Wiener Volksbühne, sondern der Zeichner von oft verzweifelten Charakteren. Selbst der Köhlerszene verleiht Gruner Brisanz, statt Romantik zeigt er soziales Elend. Er läßt die Figuren ihre „Arien” nach den Melodien zeitgenössischer Schlager singen. Das ist nichts Ungewöhnliches, denn es war auch bei Raimund so üblich. Ungewöhnlich ist indes, der Schluß, denn Gruner läßt Zauber Zauber sein. Rappelkopf (ein überzeugender Wolfgang Hübsch) endet nicht im fröhlichen Ringelreihen im Kreise seiner Familie, sondern als „Held der Einsamkeit” wie sich Ferdinand Raimund in einem Brief an Toni Wagner selbst nennt. Von diesem Rappelkopf ließe sich leicht annehmen, daß er seinem Leben ein Ende setzen könnte, wie Raimund es 1836 getan hat. Wenn jemand diesem psychologischen Stoff gerecht worden ist, dann Michael Gruner, der dem Wiener Publikum eine menschliche Tragödie bar jeder Zuckersüße vorführt.

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