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Raimund in vielerlei Sicht

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Das geistige Fluidum, das von Ferdinand Raimund ausgeht, ist auch heute, nach fast hundertvierzig Jahren, weiterhin spürbar. Er wirkt liebenswert, er fasziniert durch sozusagen bescheidene, anspruchslose Größe. So ist es begreiflich, daß die Raimund-Gesellschaft durch Forschungen um diesen Dichter und sein Werk immer wieder Anteilnahme weckt und erreicht, so auch durch den Raimund-Almanach, der, von ihr herausgegeben, vor kurzem zum sechstenmal erschien.

Der Präsident dieser Gesellschaft, Gustav Pichler, bietet einen fesselnden Vergleich zwischen Raimund und Lenau, wobei sich in der Gegenüberstellung von Werk- und Briefstellen zeigt, wie sehr beide verwandte Naturen waren. Eine historische Reminiszenz: Pichler fand im Museum in Raab ein Schriftstück aus der Schauspielerzeit Raimunds in Ungarn. Danach setzte sich der erst Zweiund-zwanzigj ährige mit Kollegen energisch beim Prinzipal für die Anschaffung einer teuren Flugmaschine ein, sozusagen als „Betriebsrat", der „Mitbestimmung" fordert.

Das Dunkel, das um alles Vergangene lagert, wird gelichtet. Heinz Schöny erweitert Raimunds Genealogie um eine Generation, Egon Fenz untersucht die Handschrift dieses „Leptosomen". Vielseitig anregend wirkt es, durch Gisela Proßnitz zu erfahren, wie Max Reinhardt im Jahre 1915 das romantisch-komische Märchen „Alpenkönig und Menschenfeind" unter dem Titel „Rappelkopf" in Berlin erfolgreich insze- . nierte: Er verlegte das Stück in den Winter und nahm mancherlei Einköpf. Das Erlebnis eben dieser Premiere bietet Felix Braun ergänzend in einer Erzählung, die damit schließt, daß am gleichen Abend die Meldung vom Fall Przemysls kam, Omen des später verlorenen Kriegs.

Spricht man von Nestroy, denkt man nicht selten an Wenzel Scholz. Dieser Schauspieler trat aber auch mit Raimund auf. Doch nur die wenigsten werden wissen, daß er, wie Othmar Rudan berichtet, von einem Freiherrn Wenzel von Plümecke abstammte, der im Duell seinen Gegner tötete, fliehen mußte und sich nun Wenzel Scholz nannte. Die Mutter des uns bekannten Schauspielers war dann Leiterin des Theaters in Klagenfurt, der Vater Regisseur am Theater an der Wien. Ein Bühnenbildner, der an den Dekorationen für Raimunds Stücke mitarbeitete, den „Verschwender" allein ausstattete, war Michael Mayr. Von ihm berichtet Franz Probst, daß später sein Haus in Eisenstadt ein Kulturzentrum dieser Stadt wurde.

Verdienstvoll sind die Untersuchungen von Ernst Joseph Görlich, der mit Recht von Josef Kajetan Tyl als einem „tschechischen Raimund" spricht. Die Wirkung ins fremdsprachige Ausland, und zwar auch heute, bekundet die Tatsache, daß ein Universitätsprofessor in Honolulu in englischer Sprache ein Buch über Raimund schrieb, das in New York erschien.

RAIMUND-ALMANACH 1971. Herausgegeben von der Raimund-Gesellschaft. Bergland-Verlag, Wien 104 Seiten und 20 Bildbeigaben.

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