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Spritzige Komödien und religiöses Kunstgewerbe

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Oper und Sprechtheater, Kammermusik und große Sinfonie bietet der Sommer in Süd-kärnten. Der Carinthi-sche Sommer hat nun sein Juwel zurückbekommen: Nach Überwindung der Schwierigkeiten um den Besitz des Stiftes Ossiach, das nun vom Land Kärnten gekauft wurde, konnte Benjamin Brittens Kirchenoper „Der verlorene Sohn” wieder in der Stiftskirche aufgeführt werden. Die Inszenierung durch Fe-derik Mirdita hat sich seit der Erstaufführung 1975 erstaunlich frisch erhalten, von den Solisten war jetzt nur mehr Hans-Martin Nau als würdevoller Vater dabei. Der Schoen-berg-Chor zeigte sich in Stimme und

Spiel wieder als eines der besten Ensembles für geistliche Musik. Kurt Azesberger als Versucher war hinterhältig-dämonisch, Christian Bauer war als jüngerer und Josef Baert als älterer Sohn rollendeckend. Erwin Ortner gestaltete als Dirigent Brittens Partitur, wobei er im Ensemble kreativ verläßliche Musiker hatte.

Brittens Musik hat ihre besten Momente in den dramatischen Orchesterstellen und in den eindringlichen choralartigen Chören am Anfang und am Schluß. Die gesungenen Teile sind zwar immer cantabel und hörbar, doch läßt sich der Eindruck von religiösem Kunstgewerbe nicht ganz verdrängen. Höhepunkte der kommenden Konzerte sind der Liederabend Bobert Holls zu dessen 50. Geburtstag - begleitet wird er von Oleg Maisenberg - weiters das Klavierduo Tal-Groethuysen (29.

Juli) und ein Kammerkonzert mit dem Küchl-Quartett (12. August). Das „Budapest Gipsy Orchestra” spielt Brahms, Ravel, Kodaly und Sarasate (9. August) und Mstislaw Rostropo-witsch feiert seinen 70. Geburtstag als Solist des Cellokonzerts von Saint Saens (26. August).

Die Komödienspiele Schloß Porcia in Spittal an der Drau sind seit ihrer Gründung durch Herbert Wochinz ihrem Stil treu geblieben: Heitere Werke der Weltliteratur, in einem einfachen Bühnenbild, mit passenden Kostümen, spritzig inszeniert und ohne Pause durchgespielt. Heuer stehen drei Stücke auf dem Spielplan, und die Wahl fällt schwer, welchem man den Vorzug geben sollte. Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind” ist von Klaus Gmeiner inszeniert. Der Text kommt durch sprachliche Präzision aller Darsteller zur Wirkung: Peter Pikl läßt als Rappelkopf tiefe Verzweiflung spüren. Es ist Angst, die ihn treibt, nicht Bösartigkeit. So kann auch Martin Leutgeb als Astragalus seine Therapie zum Erfolg führen. Eine unübliche Interpretation erfährt Diener Habakuk durch Albert Tisal: Eine dumpfe, geknechtete Kreatur, die sich an die Illusion der Jahre in Paris klammert. In Gefahr seiner Lebenslüge beraubt zu werden, stürzt er in Verzweiflung und findet Frieden erst bei der Bückkehr in diese Scheinwelt. Elfriede Schüsseleder ist ein g'schnappiges Kammermädchen, das sich als einzige nicht in das Neurosengewebe einfangen läßt und gerade dadurch zum glücklichen Ende beiträgt.

„Der Lügner” von Carlo Goldoni lügt gar nicht, zumindest sieht er seine Unwahrheiten als schöpferische Erfindungen. Er kann gar nicht anders, der Unterschied zur Wahrheit ist ihm nicht mehr ganz deutlich, doch wird er schließlich mit Hohn und Spott demaskiert. Eine schönstimmige Sängerin (Ulrike Pichler-Steffen) verbreitet mit ihren Canzonen südliche Atmosphäre, in der sich das Spiel um die Liebespaare entwickelt. Angelica Ladurner und Elisabeth Krön bezaubern als venezianische Schönheiten, Martin Leutgeb gibt einen wendigen Lügner, der schließlich doch dem sentimental seufzenden und Verse schmiedenden Florindo (Matthias Behrl) weichen muß.

In dieser Komödie und in Shaws „Helden” führt Peter Pikl Begie. Die Geschichte vom Pralinesoldaten und dem bulgarischen Mädchen wird von Reinhardt Winter und Angelica Ladurner mit feinem Humor und umwerfender Komik gespielt. Sogar der Schweizer Dialekt des Bluntschli funktioniert perfekt. Eine großartig gezeichnete Mutter Katharina (Trau-de Gmeinböck) sei besonders hervorgehoben. In allen drei Stücken stammen die Kostüme von Annette Zep-peritz und die Bühnenbilder von Bernd-Dieter Müller. Sie beweisen, daß Phantasie besser ist als teure Ausstattung.

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