Der Bauer geht fremd in Fischamend

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Ein Best Of Raimund, Nestroy, Molnár und Horváth zeigen die Fischamender Spielleut mit der Produktion "Der Bauer als Millionär - geht fremd". Als erquickliches Kontrastprogramm zu den großen Wiener Bühnen hat sich die Amateurtheatergruppe längst etabliert.

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Ein Best Of Raimund, Nestroy, Molnár und Horváth zeigen die Fischamender Spielleut mit der Produktion "Der Bauer als Millionär - geht fremd". Als erquickliches Kontrastprogramm zu den großen Wiener Bühnen hat sich die Amateurtheatergruppe längst etabliert.

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Auf den Fall der berühmten Stecknadel lauscht das Publikum im Volksheim Fischamend, wenn die Jugend - mit unerbittlicher Sanftmut verkörpert von der famosen Sabrina Kotlan - und der berufsjugendliche Bauer Fortunatus Wurzel mit "Brüderlein fein" voneinander Abschied nehmen. Das innig vorgetragene Duett ist der Höhepunkt des Abends und rührt inmitten des temporeichen Treibens so manchen zu Tränen.

20-jähriges Jubiläum

Mit ihrer jährlichen Frühjahrsproduktion hat sich die professionell agierende Laientruppe der "Fischamender Spielleut" längst als erquickliches Kontrastprogramm zu Wiener Groß- und Mittelbühnen etabliert. Jetzt feiern sie ihr 20-jähriges Jubiläum mit einer Spezialfassung von Raimunds Zaubermärchen: "Der Bauer als Millionär - geht fremd". Regisseur Franz Herzog, der einzige Profi im Team, hat mit Geschick ein Potpourri aus einigen Inszenierungen der vergangenen Jahre zusammengestellt und dabei Nestroys Possen "Lumpazivagabundus","Der Talisman" und "Einen Jux will er sich machen" ebenso ausgeweidet wie Franz Molnárs "Liliom" und Ödön von Horváths "Geschichten aus dem Wienerwald". Die gehörten zweifellos zu den Glanzleistungen der Fischamender Spielleut. Im Standard attestierte Cornelia Niedermeier 2007 dem "so raren Horváth-Ton" in der "'Kaisermühlen Blues'-Variation" eine "Intensität und Ausdruckswahrheit, wie sie hierzulande lange nicht zu hören war". Überhaupt lief die Truppe dort zur Bestform auf, wo ihre Wahl auf große Theatertexte fiel. Ihr Mut, sich über Nestroy und Raimund hinaus in das Repertoire der Moderne zu wagen, wurde belohnt. Neben Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" bescherte auch die Aufführung des "Bockerer" Fischamend eine Sternstunde wahrhaft zeitgemäßen Volkstheaters, das die Liebe zum Text mit einer wie selbstverständlich wirkenden Nutzanwendung für die Gegenwart verbindet.

Von der Bürgerinitiative zum Theater

Begonnen hat alles 1996, als der politische Erfolg der Bürgerinitiative gegen eine Sondermülldeponie in Enzersdorf an der Fischa von der gemeinsamen Einstudierung des "Talisman" gekrönt wurde. Seither ist viel Wasser die Fischa und die Schwechat heruntergeflossen, das Ensemble hat sich gewandelt und erneuert - und sogar den unfriedlichen Abgang zweier Lokal-Stars verkraftet. Zum zweiten Mal, nach dem Titus Feuerfuchs im Vorjahr, hat Franz Herzog dafür nun mit dem vergnügungssüchtigen Fortunatus Wurzel selbst eine Hauptrolle übernommen und mit Verve exekutiert. Seine Kunst zeigt sich nicht zuletzt im Gespür für die richtige Besetzung und die nachdrückliche Motivation seiner Amateure. Souverän bewältigt die Truppe die vielfachen Rollen- und Szenenwechsel des Jubiläumsstücks und überspielt damit die eine oder andere Orientierungsschwierigkeit, die sich bei Neulingen unter den Zuschauern ergeben mag. Wie immer sind auch heuer die selbstproduzierten Videofilme wirkungsvoll in Bühnenbild (Horst und Regine Piller) und -handlung integriert, wie immer kommt Musik (Darya Volkova) und Gesang ein wesentlicher Anteil am Gelingen des Ganzen zu. Als Naturtalent hochprozentig gallbitteren Wienertums bringt Knieriem Anton Eggendorfer das Kometenlied zur Geltung: "Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang" - und als Sympathisant der Flüchtlinge traut er auch der EU kein langes Leben mehr zu.

Zu den Stützen des Ensembles gehören einmal mehr Wolf-Dieter Schindler, etwa als sacht vertrottelter Horváth'scher Rittmeister, Franz Gregor als biederer Tischler Leim und Mario Santi als Verwandlungskünstler von mitreißender Spielfreude und Quirligkeit. Als Trafikantin Valerie und als siegesgewisser böser Geist und Menschenkumpan Lumpazivagabundus kämpft Brigitta Roenig vergeblich gegen die allgemeine Einsicht in die Vergänglichkeit materieller Freuden. Diesmal ganz ohne programmatische Disharmonie stimmen am Schluss alle in den Lobgesang auf die Zufriedenheit (Ingrid Herzog-Müller) ein. Und mehr als zufrieden ist denn auch das p.t. Publikum.

Der Bauer als Millionär - geht fremd

Volksheim Fischamend, 22., 23., 24. April

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