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Gelebt und gespielt

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Vor 40 Jahren gelangte zum ersten Mal in St. Margarethen im Bürgenland das Spiel vom Leiden und Sterben Christi zur Aufführung. 1961 wurde dann die Naturkulisse des Römersteinbruches, der auch als Ort des Symposions bildender Künstler bekannt ist, für die Passionsspiele herangezogen. Dieses Jahr wird zum dritten Mal in diesem riesigen Freilufttheater die Leidensgeschichte des Herrn aufgeführt.

Eine gigantische, überaus eindrucksvolle Kulisse — eine ausgezeichnete, sehr interessante Aufführung. Der auf eine Zeitdauer von drei Stunden zusammengeraffte Lebens- und Leidensweg Christi, von der Bergpredigt bis zur Himmelfahrt, fügt sich harmonisch in die zerklüftete Landschaft ein, die Massenszenen kommen ebenso zur Geltung wie etwa die Abendmahlsoder die Ölbergszene. Nie gleitet die Aufführung ins Kitschige ab, nie hat man den Eindruck, bloß einer Fremdenverkehrsattraktion beizuwohnen. Das Textbuch von Prälat Johannes Kodatsch beschränkt sich auf die wesentlichen Aussagen der heiligen Schrift, in seiner knappen Form ist es dramaturgisch effektvoll. Die Regie von Burgschauspieler Alfred Schnayder verbindet die wohl einmalige Kulisse wirkungsvoll mit der Handlung.

Als Hauptdarsteller besticht Franz Unger, dessen Christus ein kraftvoller, nicht im geringsten süßlicher Messias ist. Er ist ein erstaunlich guter Sprecher, ein überzeugender Interpret; eine ideale Besetzung für diese ungeheuer schwierige Rolle. Es wäre ungerecht, neben dem Christus-Darsteller noch einen anderen der insgesamt 350 Laiendarsteller — alle aus St. Margarethen — hervorzuheben. Nicht nur gaben sie alle ihr bestes, man könnte sich auch kaum vorstellen, daß Passionsspiele nicht von bemühten Laien, sondern von Berufsschauspielern getragen werden. Denn man glaubt den Darstellern, daß das Spiel für sie mehr ist als nur ein Sich-Produzieren, daß es darüber hinaus auch Verkündigung der Frohbotschaft ist. Der Steinbruch von St. Margarethen wird somit nicht nur zur imposanten Bühne, er wird auch zur Kanzel.

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