Schnitzler stärker denn je

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Machenschaften

Herbert Föttinger als Professor Bernhardi mit Peter Scholz als Dr. Adler.

An der Josefstadt ist zurzeit eine der interessantesten Produktionen in Wien zu sehen. Janusz Kica hat Arthur Schnitzlers "Professor Bernhardi" dezent in die Gegenwart geholt und sich auf den Text konzentriert, der stärker denn je wirkt.

Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger spielt die Titelrolle, und so besteht eine gewisse Pikanterie darin, dass er auch auf der Bühne als "Herr Direktor" angesprochen wird. Föttinger gibt den Leiter der Privatklinik Elisabethinum als vielschichtigen Charakter: Er, der sich ganz dem ärztlichen Berufsethos verpflichtet fühlt, glaubt sich als moralisch hochstehender sowie angesehener Professor verschont von politischer Einflussnahme. Die Mechanismen der Macht manipulieren aber auch ihn. Bernhardi fühlt sich allzu sicher in seinem Direktorensessel und unterschätzt die politischen Machenschaften. Seiner ärztlichen Pflicht nachkommend, verweigert er einem Priester den Zutritt zu einer jungen Sterbenden im Euphorie-Zustand und bringt so eine Spirale in Gang, die der rechtschaffene Professor nicht für möglich gehalten hätte. Dass er selbst, der sich für unangreifbar hält, den Feind ins Haus geholt hat, will er bis zum Ende nicht wahrhaben. Denn Bernhardi hat für die Bestellung des deutschnationalen Arztes Ebenwald gesorgt, der nun gegen jüdische Kollegen intrigiert, um selbst an die Macht zu kommen. Florian Teichtmeister spielt den eiskalten Chirurgen höchst präzise als harmlos erscheinenden und zugleich gefährlichen Drahtzieher antisemitischer Machenschaften. Sein Ebenwald lässt jene mörderischen Abgründe erahnen, die nur wenige Jahre nach der Uraufführung des Stücks (1912) grausame Wirklichkeit wurden. Pointiert ist auch Bernhard Schir als Bernhardis früherer Kollege und frisch bestellter Minister, herrlich anzusehen, wie Schir die Selbstgefälligkeit dieses Politikers mit nasalem Schönbrunner-Deutsch "überspielt", wodurch er die Borniertheit der Figur erst recht sichtbar macht.

Höhepunkt der Inszenierung ist jene Szene, in welcher Bernhardi eine Sitzung einberuft, welche die Gefährlichkeit der Mitläufer offenlegt. Ebenwald betreibt die Absetzung von Bernhardi, auf seiner Seite ist Professor Filitz. Christian Nickel ist als stocksteifer Formalist, dem der soziale Status alles bedeutet, hochkomisch. Mit neurotischer Genauigkeit bringt er sein Sakko in Form, während es Bernhardi an den Kragen geht. Dass am Ende Bernhardis Verbündete überstimmt werden und dieser seinen Rücktritt beschließt, ist letztlich das Ergebnis der Feigheit der Opportunisten.

In diesem präzisen Schauspielertheater wird Schnitzlers Bezeichnung "Komödie" ernst genommen, auch wenn einem das Lachen im Hals stecken bleibt, so aktuell sind die Dialoge und Szenen. Bravo an alle an dieser wunderbaren Inszenierung Beteiligten.

Professor Bernhardi Theater in der Josefstadt, 24. Nov., 2., 3. Dez.

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