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Digital In Arbeit

Acht Millionen Meter Stoff voll Ästhetik

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Können Unternehmer wie Künstler empfinden? Können Kunstschaffende lernen, ästhetische Maßstäbe mit wirtschaftlichen Mechanismen zu verknüpfen? Kurzum - können Kunst und Kommerz Hand in Hand gehen, ohne daß einer den anderen dominieren will?

Die Textildruckerei Rueff in Muntlix in Vorarlberg hat das geschafft. Für sie gehört eine solche lebendige Beziehung, ein solches Naheverhältnis schon längst zur Unternehmensphilosophie.

Für die Kunden bedeutet diese gelungene Symbiose von Kunst und Wirtschaft ein besonderes Service: Natürlich können sie „nur“ aus dem großen Angebot an Stoffen und Mustern bei Rueff das Passende aussuchen. Aber Stoffe, wie die Mode überhaupt, sind für die Textildruckerei der Ausdruck einer ganz speziellen Persönlichkeit. Textilien sollen Freude machen, sie sollen für den Benutzer wie eine „zweite Haut“ sein. Daher realisiert Rueff auch jeden Kundenwunsch auf Stoff. Ein spezielles Designer-Team hilft dabei, setzt die entsprechenden Anregungen um, gibt Tips und sorgt für Ideen.

Die Firma geht aber noch einen Schritt weiter. Franz Bischof, der Geschäftsführer, sieht in Drucken, Formen und Farben auf Stoffen eine besondere Form der angewandten Kunst mit einem hohen ästhetischen Anspruch. Wer könnte aber dem Streben nach Harmonie und Ebenmäßigkeit bei Farben und Stoffen besser Ausdruck verleihen als ein Künstler? Wer könnte Attribute wie fraulich, elegant, romantisch, verspielt oder erotisch besser zum Ausdruck bringen als ein Maler? Dafür hat die Firma Rueff einen Spitzenmann unter den Kunstschaffenden gewinnen können. Professor Wolfgang Hutter, Mitbegründer der „Wiener Schule des Phantastischen ReakW i lismus“, hat die Bettwäsche- und Damenunterwäsche-Kollektion des Unternehmens kreiert.

Wie konnte er zu dieser reizvollen Symbiose aus Firmenprodukten und Kunstengagement gewonnen werden?

Wolfgang Hutter spürt, daß bei Rueff Arbeit und Produktion als Kulturaufgabe gesehen werden. Daß es der Firma nicht um Kosten-Nutzen-Analysen geht. Ein Künstler ist nicht bloß Objekt bei strategischen Werbemaßnahmen. Rueff sucht den Kontakt zur Kunst auch nicht, um Ideen eines Meisters in klingende Münze umzusetzen. Ebenso ist Gönnertum bei der Unternehmensleitung verpönt. Nur deshalb war es möglich, einen so prominenten Kunstvertreter wie Wolfgang Hutter für ein kommerzielles Vorhaben zu gewinnen.

Dieses Besondere einer gelungenen Beziehung von Kunst und Kommerz ist jedenfalls bei Rueff inzwischen das Normale - und schließlich auch das Ergebnis eines jahrelangen, lebendigen Kontaktes zwischen dem Unternehmen und der österreichischen Kunstszene.

Franz Bischof beispielsweise verbindet eine jahrelange, enge Freundschaft mit dem Maler Friedensreich Hundertwasser. Der Meister kam sogar persönlich nach Vorarlberg, um hier seine für Neuseeland entworfene Staatsflagge drucken zu lassen.

Warum der weite Weg? Sicherlich, weil die Firma Rueff Kunst als Bereicherung des eigenen, unternehmerischen Daseins sieht. Aber Hundertwasser weiß auch, daß hinter den Ideen und Idealen der Unternehmensphilosophie ein erfolgs- und wachstumsorientiertes, engagiertes Team steht. Ein Team, das auch fachlich brilliert. Wenn dem Künstler eine bestimmte Nuance eines Farbtones vorschwebt, dann zaubert die computergesteuerte, vollautomatische Farbküche der Firma die gewünschte Raffinesse in die Schattierung.

Die Elektronik mixt aber nicht nur die Farben optimal. Durch die richtige Mischung wird keine Tönung zuviel produziert und so am richtigen Ort gespart.

Umweltschutz wird bei Rueff überhaupt groß geschrieben. Modernste Technologien sorgen dafür, daß die Belastung der Natur durch Abwässer so gering wie möglich gehalten wird.

Generell gibt das Unternehmen viel aus für Dinge, die der Natur förderlich sind. „Nur in einem schönen Unternehmen kann auch Schönes produziert werden“, lautet die Maxime der Unternehmenskultur bei Rueff. Eine Gesinnung, die nicht bei der Firmenleitung haltmacht, sondern bis in die Gestaltung der Arbeitsplätze hineinwirkt. Die Verschönerung von grauen Fabrikshallen durch Friedensreich Hundertwasser gehört ebenso dazu wie Bäume zwischen den Druckmaschinen, der künstlerische Unterricht für Mitarbeiter oder die Auseinandersetzung mit positivem Denken.

Diese Ausrichtung des Unternehmens auf drucktechnische Professionalität, Motivation und hohem, künstlerischem Niveau schlägt sich auch auf die Marktposition nieder. Seit Mitte der achtziger Jahre schreibt das Unternehmen zweistellige Umsatzzuwachsraten. Das Durchschnittsalter des Rueff-Teams beträgt 29 Jahre; der jährliche Umsatz pro Kopf liegt bei 1,3 Millionen Schilling. Pro Jahr werden acht Millionen Meter Stoff mit modernsten Technologien bedruckt (die Firma hat übrigens die einzige Textilmaschine in Österreich, die das gleichzeitige Bedrucken beider Tex-tilbahnen ermöglicht).

Der Anteil von 20 Prozent an der heimischen Textildruckproduktion zeigt letztlich auch, daß die Vorarlberger Freude an ihrer Arbeit haben. Jeder einzelne Mitarbeiter ist durchdrungen von der künstlerisch dominierten Unternehmensphilosophie. Dabei kommt das Unternehmen ohne strengen, hierarchischen Aufbau aus. Es gibt keine versteinerten Strukturen. Bei Rueff ist wie in der Kunst alles in Bewegung und offen für Neues und Unkonventionelles.

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