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JACQUES RUEFF/FRANKREICHS „PROF. ERHARD“

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Jacques Rueff, Sohn eines Arztes, heute 65jährig, ist eine jener scheinbar mühelosen Begabungen, wie sie das französische Er- ziehungssystem in so erstaunlichem, von keinem andern Land erreichtem Ausmaß produziert. Kennzeichnend für ihn ist, daß er nicht ein Zögling der „Ecole Normale“ war, die Frankreichs „ideologische“ Elite formt — er durchlief viehnehr in rasantem Tempo die andere der beiden großen Sqhulen, die „Ecole Polytechnique“, in welcher die Mehrheit von Frankreichs großen Technokraten herangebildet wird. Schon mit 27 Jahren wird Rueff Professor am Statistischen Institut der Pariser Universität; seit 2938 ist er eine der Koryphäen der „Sciences Po“. Neben der Lehrtätigkeit ging aber von Anfang an auch eine praktische Tätigkeit in der hohen Administration und der Finanzdiplomatie einher.

Ein genaues Abschreiten der Karriere von Rueff würde die Aufzählung mannigfacher hoher Aemter nötig machen. Um so schwieriger ist hinter all diesen Titeln und Würden der Mensch zu fassen. Wie alle großen Technokraten hat Rueff wenig für das Auftreten im Rampenlicht übrig. Das ist im Zeitalter der „Public Relations“ ein achtenswerter Zug. Aber vielleicht ist gerade das die Wurzel jenes „Mythos“; der sich seit Ende letzten Jahres an den Namen von Jacques Rueff geheftet hat und ihn für die weniger urteilsfähigen Sektoren der öffentlichen Mei nung zu einem beinahe dämonischen „Drahtzieher in den Kulissen" hat werden lassen.

Es sind recht bald jene Reportagen erschienen, die uns einen distinguierten Weltmann vorführen, der in seinem mit kost baren Gemälden des 17. Jahrhunderts ausgeschmückten Salon sibyllinische Sprüche von sich gibt, zwischendurch Anrufe von Botschaftern auswärtiger Mächte erhält, und in dessen Vorzimmer sich die Financiers der

Welt drängen. Ein solcher „Mythos“ ist zweischneidig in einem Lande wie Frankreich, in dem sich der bisher allmächtige Mittelstand verzweifelt an seine Positionen klammert und leicht geneigt ist, für alle ihn treffenden Strukturänderungen irgendwelche bösen Drahtzieher verantwortlich zu machen, ln der sich bereits abzeichnenden Legende von der „Verschwörung der Technokraten“ gegen den „kleinen Mann“ ist denn auch Rueff schon ein hervorragender Platz neben Vertretern großer Banken in der Umgebung de Gaulles reserviert.

Angesichts solcher Verketzerungen Ist es gut, daß Rueff seine dogmatische Position nie im unklaren gelassen hat. Seine Feinde heißen Karl Marx und Hjalmar Schacht. Für ihn ist nicht nur jede planwirtschaftliche Einengung der freien Wirtschaft von Uebel — er lehnt auch ebenso entschlossen jene „inflationäre Flucht nach vorne“ ab, wie sie beispielsweise vom Finanzspezialisten der gaullistischen UNR, Albin Chalandon, emp- fohlen wurde. (Rueff behauptet übrigens, daß Chalandon sich inzwischen fast in allen Punkten zu seinem Standpunkt bekehrt habe.) Rueff ist ein entschiedener Verfechter der finanziellen Orthodoxię. Unter seinen zahlreichen Schriften ist „Der Goldfranken von morgen“ (1952) am bekanntesten geworden, in der er dir- Rückkehr zur Goldwährung fordert. .

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