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Wenn der Gummibaum die Druckmaschine küßt

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Muntlix - "Jeder Mensch ist ein Künstler." Das Vermächtnis des legendären Joseph Beuys fiel in der Textildruckerei Rueff auf fruchtbaren Boden. Hier, wo goldene Zwiebeltürme, bunt glasierte Keramiken, schräge Birken u ndf lotte Fahnen die formale Äußerlichkeit eines Gesamtkunstwerkes ä la Hundertwasser bestimmen, multipliziert sich der Gedanke des künstlerischen Daseins täglich auf mehr als hundertfache Weise. FBI alias Franz Hermann Bischof, Kunstfreund und Unternehmenskünstler in Personalunion, macht es möglich, was Joseph Beuys vorausgedacht hat: JEDER MENSCH IST EIN KÜNSTLER.

Im Lande vor dem Arlberg, in dem die industrielle Revolution des ausgehenden 18. Jahrhunderts eine Textil-kultur und Arbeiterkultur begründet hat, die trotz mancher Rückschläge Vorarlberg zum Textilland ersten Ranges innerhalb der Alpenrepublik zuerst auswachsen und dann gesundschrumpfen ließ, ist die Textildruckerei Rueff mehr als der Erneuerer einer architektonischen Identität, zu der industriearchäologisch immerhin so

markante Errungenschaften wie die höchste Weberei der Biedermeierzeit, der modernste Trockenturm aus den Tagen des Vormärz und die am hellsten erleuchtete Fabrik der gesamten Doppelmonarchie oder das romantischeste Fabriksschwimmbad gehören, sondern vielmehr Protagonist einer pluralistischen Textilkultur: in einer künstlerisch eigenwillig und einmalig gestalteten Fabrik ist der Mitarbeiter Künstler seiner Karriere und Mitgestalter des Erfolges. Das macht geschriebene Fabriksordnungen, Titelseuchen, Pflichtprogramme, Kontrollinstanzen, Administrationsschikanen überflüssig. Jeder kennt seine Aufgabe, für die er ganz alleine verantwortlich ist. Davon sind die türkischen und jugoslawischen Mitarbeiter nicht ausgeschlossen. Ganz im Gegenteil, hier erleben sie die größere Doppelmonarchie im vertrauten Miteinander.

Ein Fabriksklima kann man nicht kaufen. Das muß man sich selbst machen. Bei Rueff wird es vom Geist der Freiheit und vom Tanz der Ideen bestimmt. Für jede Idee ist der Chef zu haben: da spielt schon einmal eine

Rockband auf der Druckmaschine heiße Rhythmen, hier macht die gesamte Mannschaft großes Welttheater in der Fabrikshalle, weil Drucker auch Schauspieler sind, da lauscht man gerne einer Dixie-Band und mischt die Farben zur Musik. Auch ein Fabriksleben endet nicht mit dem Glockenschlag, wenn man eine Idee hat, was man auf und zwischen den Maschinen spielen kann: Theater, Musik, Pantomime, Konzert.

Kunstwerke, die die Wände bekleiden, sind eine Dimension, die an sich wiederholbar ist. Bei Rueff schreiben Kinder ihre buntesten Träume auf

Papierrollen, verirren sich Lehrlinge mit Pinsel und Sprayer im Labyrinth der Kunst, zückt der Oberbuchhalter die Palette, um Pünktchen in Blau, Rot, Gelb, Grün und Pinkauf die Wand zu werfen, entwirft die Designer Crew für die Gummibäume, Philodendrons, Birken, Weiden und Pappeln Frühlingskleider, poliert der Schornsteinfeger die goldene Kuppel, wispert die Telephondame ihr freundliches "Guten Morgen, Textildruckerei Rueff" dem erstbesten Kunden als Liebeserklärung ins Ohr, schmökern die feurigen Verkäufer in amerikanischen Trendsetting-Magazinen, damit die Argumente polyglott bleiben, während der Chef darüber sinniert, ob das großformatige Selbstporträt ein alter ego sein könnte, das er noch nicht entdeckt hat. Kunst ist Ausdruck einer Lebenshaltung: Arbeit soll Vergnügen sein. Wer gerne arbeitet, hat auch Erfolg. Würde man die Erfolgszahlen von Rueff in Elephanten aufwiegen, müßten einige Dickhäuter wie weiland bei Hannibal den Marsch über die Alpen antreten. Da es dieser Beweise jedoch nicht ständig bedarf, bleibt die Türe für Künstler, Kunstfreunde und Exoten aller Art immer offen: so landen die Erotissima von Wolfi Hutter auf Baumwolltrikot für Slips, verführen die schneckenhaften Symbole von Mr. Flagman muntere Australia-Fah-nen, sähe sich die kaiserliche Maria Theresia als Büstentaler auf Lycra wieder, könnten die Jungen Wilden sehen, erfahren, was wirklich wilde Muster sind und würde sogar Alma Mahler meinen, daß ihr ein aufregender Schauplatz entgangen ist: die Textildruckerei Rueff.

Auf den internationalen Stoffmessen ist Rueff immer im Gespräch. Wenn auf der computergesteuerten Premiere Vision in Paris surreales Glockengeläut einen Großauftrag beklingelt, dann kann das nur bei Rueff sein. Wenn auf der Interstoff ein Liliputaner das 1 Bogen-große Druckwerk des Hauses verteilt und dieses mit ihm freihändig durch die Gänge wandelt, dann kann dies nur ein Einfall von Rueff sein. Alle diese Einfälle kommen aus dem Herzen, das leidenschaftlich für den Druck schlägt und aus einem Kopf, der für jede Idee bereit ist. "Der Stil ist der Mensch selbst." Dieser Erkenntnis von Georges Buffont ist Rueff weder in alten noch in neuen Tagen den Beweis schuldig geblieben.

Kunst ist sicher nur ein Aspekt, der zur Ganzheit von Kultur gehört. Über Unternehmenskultur wird soviel gesprochen und doziert. Rueff lebt sie: im täglichen Miteinander von jung und alt, im täglichen Füreinander von Unternehmen und Markt. Die Identität von Form und Geist, die Kandinsky für die Qualität eines Kunstwerkes unabdingbar machte, ist bei Rueff die Lebendigkeit des Gesamtkunstwerkes von Mensch und Unternehmen. Die Formen fließen aus der Einstellung, daß Arbeit Freude und Drucken Passion ist.

Man würde meinen, daß diese Aufgabe ausreichend genug ist. Nicht für Rueff. Kultur gilt nicht nur im Inneren, nicht allein für die Arbeit und die Druk-ke, Kultur ist auch eine Aufgabe, der man sich stellen muß. So mancher Künstler wäre ohne die Unterstützung von Rueff buchstäblich verhungert, viele Künstler erhalten hier ihre internationale Bühne auf Messen, noch mehr Künstler arbeiten für Rueff und selbst die, deren Werke heute in Museen archiviert werden, müßten posthum dankbar sein, daß Rueff ein engagierter Sponsor ist. Zwei aktuelle Beispiele dazu: mit 9 anderen Vorarlberger Textilunternehmen hat Rueff die finanzielle Basis geschaffen (stellvertretend für Vater Staat), daß die Wiener Werkstättensammlung an Stoffen und Entwürfen des Museums für angewandte Kunst aufgearbeitet, archiviert und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Auch beim

Anschlußprojekt, der Bearbeitung von mehr als 33.000 Mustertafeln aus der Biedermeierzeit, ist Rueff einer der acht Sponsoren.

Kultur ist unteilbar. Rueff ist unverwechselbar. Die buntesten, erfolgreichsten und amüsantesten Kapitel* der österreichischen Textilgeschichte werden in Muntlix bei Rueff geschrieben. Das Kapitel fürden Sommer 1992 heißt: Wenn der Gummibaum die Druckmaschine küßt: Elastisch, ther-mofixiert, seewasserbeständig, durchgedruckt, hochfärbig, fadengerade, knautschfest, pflegeleicht, stoßsicher, allergiengetestet und keimfrei. So hohe Ansprüche stellt die Liebe an den Druck. Nur Leidenschaft kann sie erfüllen: 120 x täglich bei Rueff auf.... Millionen Metern. "Seid umschlungen, Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt...".

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