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Zeugnisse vergangener Epochen wieder zum Sprechen zu bringen, gehört zu den wichtigen Zielen historischer wie philologischer Forschungen. Mit den Dokumenten verschiedener Art aus der Zeit des byzantinischen Reiches befaßt sich das Institut für Byzantinistik der Universität Wien, das 1962 gegründet wurde und in den bald 20 Jahren seiner Existenz gemeinsam mit der Kommission für Byzantinistik der österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Kommission für die Tabula Imperii Byzantini zu einem führenden Zentrum der internationalen Byzantinistik wurde.

Ausdruck der weltweiten Anerkennung österreichischer Forschung auf diesem Spezialgebiet war die Vergabe des XVI. Internationalen Byzantinistenkongres-ses (4.-9. Oktober 1981) an Wien und die Wahl des Vorstandes und Gründers des Instituts, des Präsidenten der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Univ.-Prof. Herbert Hunger, zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung der byzantinistischen Studien.

Verbunden mit den Schwerpunkten der Forschungen des Wiener byzantinistischen Zentrums (seit 1972 vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gefördert) sind Fragestellungen, die auf dem Kongreß behandelt werden: Der Aktualisierung von Quellen sind zwei Hauptreferate über internationale Forschungsvorhaben gewidmet: Prof. Robert Browning (London) berichtet über Projekte zur byzantinischen Philologie und Prof. Johannes Köder (Mainz) über Geschichtsquellen und ihre Auswertung.

Dem — im Vergleich mit verwandten Disziplinen — geringen Alter der Byzantinistik (das erste Institut wurde Ende des 19. Jahrhunderts in München gegründet) entspricht die Notwendigkeit, Methoden und Technologien zu entwickeln, worauf beim Wiener Kongreß besonderer Wert gelegt wird.

Bedingt durch die große Anzahl noch nicht genügend erforschter Quellen nimmt die Beschäftigung mit Hilfswissenschaften (wie Handschriftenkunde und Urkundenlehre) im Rahmen der Wiener Forschungen auf dem Gebiet der Byzantinistik wie im Kongreßprogramm einen besonderen Platz ein:

Zu den Projekten der österreichischen Byzantinistik zählt die Herausgabe der Urkunden des Registers des Patriarchats von Konstantinopel (durch ein Spezialistenteam unter Leitung von Prof. Hunger), das wichtige Hinweise auf die Sozialgeschichte der byzantinischen Spätzeit liefert. Der Handschriftenkunde sind vier Hauptreferate mit den Themen „Autoren und Kopisten", „Das Buch als Gebrauchsgegenstand" und „Skriptorien und Ateliers" gewidmet.

Die Sozialgeschichte ist nicht nur auf dem Kongreß mit Referaten zur Sozialstruktur, zu sozialen Schichten, zu den Verfassungsgrundlagen des byzantinischen Staates sowie zur Rolle der Frau in der byzantinischen Gesellschaft vertreten.

Sie erhält auch durch Forschungen der Kommission für Byzantinistik neue Impulse: Das Prosopographische Lexikon der Paläologenzeit, ein „Who was Who?" für die letzten Jahrhunderte von Byzariz, wird unter der Verwendung von EDV von Erich Trapp, Rainer Walther und Hans-Veit Beyer erstellt und liefert durch differenzierte Register eine neuartige Basis für weitergehende Forschungen.

Die Untersuchungen zu den byzantinischen Bleisiegeln von Werner Seibt liefern wertvolle Daten zur sozialen Schichtung und Struktur der früh- und mittelbyzantinischen Zeit.

Für die Zukunft ist vorgesehen, verstärkt das Alltagsleben und die Realien der byzantinischen Kultur zu untersuchen, wozu die Arbeiten des Instituts für mittelalterliche Realienkunde der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Krems wertvolle Hilfestellungen und Anregungen geben können.

Dr. Ernst Gamillscheg ist Univ.-Ass. am Institut für Byzantinistik der Universität Wien.

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