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Aus dem Nachlaß gestöbert

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Nach der Wiederholung von Ludwig Holbergs Domestikenspaß „Henrik und Pernilla“, der aus dem Vorjahr mit trefflichem Gelingen in die diesjährige Spielzeit gerettet worden war, stellte sich mit Georges Feydeaus Farce „Die Verlobung“ Herbert Wochinz dem Publikum der Spittaler Komödienspiele als Übersetzer, Bearbeiter und Spielleiter in einer Person. Er hatte sich die Rechte gesichert und ein Stück zur deutschen Erstaufführung gebracht, dem er die Qualitäten zutraute, die Zuhörer zu amüsieren und den Spaß auf die Spitze zu treiben, enthält doch die Ausgrabung alles, was zum Lachen reizt.

Das stimmt, aber es stimmt auch, daß dieser Feydeau in seiner Lautstärke mehr laut als stark ist. Die Konstruktion, die sonst überaus raffiniert und sogar mit einer gewissen Logik das Stück trägt, erscheint hier mühsam ergrübelt und mit Possenreizen aufgeputzt, die dem Klamauk sehr nahe kommen. Um eine typische Feydeau-Figur — um den Sanatoriuminhaber Saint-Galmier — gruppieren sich die abzuservierende Freundin Michette und die Geschwister Gevaudan, Alfred und Laure, die die Ehe suchen und eine Stellung finden: Zu Verlobende werden als Haushaltskräfte durch Irrtum verpflichtet und treiben es in ihrer Verwirrung so weit, daß sie für plem-plem genommen werden. Und weil gerade drei Patienten dem Sanatorium entwischten, glaubt man sie im Trio der Geschwister gefunden zu haben, woraus sich die

üblichen Verwicklungen in einem turbulenten Schlußakt ergeben, dem Tanztherapie und Wechselbäder nicht fremd sind. Und die lästige Michette wird dazugesperrt.

Natürlich klärt sich alles auf und ein schwaches Stück gelangt zu gutem Ende nach Ohrfeigen, Ohnmachtsanfällen, Gekreisch und Verwirrung, über die Dr.-Saint-Galmier sein Lügengewebe breitet. Immerhin, forcierte Lustigkeit kommt an, Männer in Unterwäsche und Badetrikots verfehlen die Wirkung nicht und die Hätz nach dem flüchtenden Sanatoriuminhaber rast über die Szene in Tollheit mit Methode. Das Publikum gibt applaudierend recht und ein neuer Feydeau scheint geboren, dem man aber ein langes Theaterleben nicht vorauszusagen wagt.

Die außer Rand und Band geratenden Darsteller übertreiben in der Mehrzahl nach Regieanweisung, wobei Peter Ertelt als Gevaudan eine rühmliche Ausnahme bildet und Peter Uray schon durch Eleganz und nobles Auftreten in der Rolle des Saint-Galmier davor bewahrt erscheint. Miriam Dreifuss übersteigert amüsant, Albert Tisal behäbig, Horst Eder diskret, während Ulli Fessl als Michette, — nun ja, wenn sie nicht in Ohnmacht fällt, dann quietscht sie zum Ergötzen des Auditoriums, das vermutlich erst daheim erkannt haben wird, daß mit diesem Stück zwar Applaus, aber nicht Lorbeer erreichbar ist.

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