7043490-1990_25_10.jpg
Digital In Arbeit

Baltikum - was ist das?

Werbung
Werbung
Werbung

Wer sich bisher über das Balti­kum informieren oder auf eine Reise dorthin vorbereiten wollte, sah bald, daß es mit diesbezüglicher Literatur schlecht stand: Manfred Hellmanns „Grundzüge der Ge­schichte Litauens", 1986 in dritter Auflage in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt er­schienen, bietet profunde Informa­tion, endet im wesentlichen aber mit dem Zweiten Weltkrieg; ent­sprechende Bände über Lettland und Estland existieren leider nicht.

Die „Geschichte der baltischen Staaten" von Georg von Rauch, in zweiter Auflage 1977 bei dtv ver­legt, ist noch immer ein Standard­werk, aber leider inzwischen ver­griffen; die Darstellung endet 1945.

Der einzige Reiseführer durch die baltischen Staaten, 1987 von Heinz-Dieter Schilling herausgegeben, strotzt nicht nur von Fehlern und Oberflächlichkeiten, vor allem die Passagen zur Geschichte lesen sich, als wären sie von sowjetischen Propagandaschriften abgeschrie­ben. Niemandem möchte man die­ses Machwerk in die Hand geben.

Vor wenigen Monaten hat der anerkannte Ostrechtsexperte Boris Meissner einen Sammelband her­ausgegeben, der die Lücke schließt. Hier wurde nicht eilig auf den schnellebigen Markt und die Ta­gesaktualitäten reagiert, sondern ein neues Standardwerk geschaf­fen. (Stand: Jänrier 1990).

Nach einem historischen Abriß der drei baltischen Staaten ist je ein Kapitel dem estnischen, letti­schen und litauischen Staat von 1918 bis 1940 gewidmet. Drei wei­tere Kapitel stellen die baltischen Sowjetrepubliken bis 1989 dar.

Die beiden Estland-Kapitel stam­men von dem in Salzburg lehren­den estnischen Ostrechtsexperten Henn-Jüri Uibopuu. Der amerika­nische Politologe litauischer Ab­stammung V. Stanley Vardys hat die Litauen-Darstellungen verfaßt, zwei anerkannte exillettische Au­toren stellen die Entwicklung Lett­lands dar.

Ein eigenes Kapitel ist dem Wandel der Sozialstruktur gewid­met. Boris Meissner selbst hat ein Kapitel über die staatliche Konti­nuität und völkerrechtliche Stel­lung der baltischen Länder beige­tragen. Auch über die Baltikum-Forschung in Deutschland, Öster­reich und in anderen Ländern kann man sich informieren.

Das Buch wertet nationalsprach­liche, russische und westliche Dokumente aus. Eine Darstellung der politischen, geschichtlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Entwicklung des Balti­kums von annähernd ähnlicher Vollständigkeit hat im deutschen Sprachraum bisher nicht existiert. Niemand kann darauf verzichten, der diese Länder verstehen will.

DIE BALTISCHEN NATIONEN. Estland -Lettland - Litauen. Hrsg. von Boris Meissner. Markus Verlag, Köln 1990, brosch., 324 Seiten, öS 374,40.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung