6834211-1975_04_20.jpg
Digital In Arbeit

Bis zum „Geldtaschlwaschen”

Werbung
Werbung
Werbung

In Österreich ist — man glaubt es kaum — die brauchtumsreiehste Jahreszeit der Fasching. Jener Fasching, der wegen des ungebührlichen Lärms, der Unruhe und des Unfugs, den man dabei treibt, sogar immer wieder verboten wurde.

Unsere alpenländischen Faschingsbräuche stammen noch aus jenen Zeiten, in welchen der Mensch die Natur mit einer Unzahl von Göttern und Dämonen belebte — in der die Sonne, Spenderin von Licht, Wärme, Leben und Fruchtbarkeit, zu den mächtigsten Göttern zählte, vor der die bösen Geister des Winters, der Dunkelheit und des Todes fliehen sollten.

Nach Neujahr, wenn die Kraft der

Sonne spürbar an Stärke gewann und die Hoffnung auf das Erwachen der Natur immer größer wurde, begannen die Menschen mit dem Austreiben der vermeintlichen bösen Geister und Dämonen und veranstalteten anläßlich des nahenden Frühlings fettreiche Freudenfeste. Es begann allgemein die Zeit der Ausgelassenheit, der Verkleidungen, der Maskeraden und der Völlerei: „Heut is Faschingstag, heut iß i, was i mag.

Morgen mach i’s Testament, d’ Welt geht zu End!”

Dieser Spruch erinnert auch an uralte Opfermahlzeiten, die nicht zuletzt einfach dazu dienten, Platz für die zu erwartende neue Ernte zu schaffen. In Tirol sprach man von „Freßmontag” und „Speibrechtag” (Faschingsmontag und Faschingsdienstag). Einem kultischen Zwecke diente auch die Unkenntlichmachung durch Masken, die dazugehörigen Gebärden, Tanzschritte, Stimmlaute, das Schellengebimmel und Peitschenknallen.

Was sich in Österreich bis heute erhalten hat, sind Faschingsläufe, sogenannte Tresterertänze, Maskenumzüge, Lärmen mit Schellen, Schlagen mit der Lebensrute, Was- serbesprengung, Umtragen des Lichtes, Scheibenschlagen, Blochziehen, Bärentreiben, die Bettlerhochzeit, Aperschnalzen, heitere Rügegerichte, Saukopfstehlen, Krapfenessen u. a. m. — stets begleitet von der scherzenden Freude im „modernen” Faschingstreiben.

Zu den traditionellen Faschingshochburgen in Österreich zählen Ebensee in Oberösterreich mit dem Fetzenfasching, Aussee mit den Trommelweibern, Pleß und Flin- serln — in Tirol Imst, Nassereith,

Telfs und Rum (berühmt durch ihre bunten Faschingsläufe), Axams mit den originellen Wampelereitern, in der Obersteiermark Krakaudorf mit seinen Faschingsrennern, bei Wien Wienersdorf und Tattendorf, wo das Faschingsbegraben und Faschingsertrinken geübt wird (das noch “an das Winter verbrennen und Todaus- tragen unserer Urahnen erinnert), das Waldviertel mit seinem Hahnenschlagen, und das Montafon mit seinen riesigen „Funken”-Freudefeu- ern. Jeder einzelne der hier erwähnten Bräuche ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergißt.

Zu den Besonderheiten der alten alpenländischen Faschingsveranstaltungen zählen die hier überaus be- liebten Schimpfreden („Labera”), in welchen die Jahresbegebenheiten verulkt und glossiert werden, sowie das Gerichthalten über das zu Ende gegangene Jahr.

Nicht bodenständig und zu den erst kürzlich importierten Bräuchen gehören die Karnevalsveranstaltungen der Villacher, Salzburger und Mödlinger mit ihren Faschingsgilden, Narrenumzügen und Faschingssitzungen.

Mit dem Kehraus, dem Heringsschmaus und dem traditionellen „Geldtaschlwaschen” ist die tolle und närrische Zeit zu Ende. Und auch die bösen Wintergeister sind dann schon gebannt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung