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Cafe-Info

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Die Enthüllung vom Verrat sowjetischer Militärgeheimnis- se durch den Diktatoren-Bru- der Ceaugescu hat auf viele wie eine Sensation gewirkt. Sowas kann einen alten Pensionisten des Wiener Agentenlebens wie mich natürlich nicht erschüt- tern!

Dies ist eine jener berühmten Medaillen mit drei Seiten. Die eine Seite ist sozusagen die primitive. Wenn ein Diktato- ren-Clan schon sein eigenes Volk verrät und verkauft, wie sollte so eine „ehrenwerte Familie" dann noch Hemmun- gen haben, auch ein Bruder- volk zu verraten und deren Geheimnisse zu verkaufen?

Die zweite Seite der Medail- le ist die Frage, ob unser gut- bürgerliches Bild von den ge- fährlichen Spionen noch zeit- gemäß ist. In einer Zeit, in der von Aufklärungssatelliten die Vermehrung der Maikäfer in allen Positionen detailliert übermittelt wird. In einer Zeit, in der die Richtmikrophone der Stasi in Ostberlin exakt auf- zeichnen, wieviel Pfälzer Le- berwurst Helmut Kohl aus Bonn fürs Wochenende in Oggersheim bestellt.

Unsere Historiker werden noch viele überlieferte Vorur- teile hinunterwürgen müssen, wenn sie eines Tages der frie- densstiftenden Rolle des*Drit- ten Mannes gerecht werden wollen.Wer hat denn mehr für die derzeitige Abrüstungs-Be- reitschaft der Super-, Groß-, Mittel- und Möchtegern-Mäch- te getan als jene sogenannten Hochverräter? Die haben doch durch Übermittlung des gegen- seitigen militärischen Rü- stungsstandes jeweils einen solchen militärischen Vor- sprung verhindert, der einen Krieg riskierbar hätte erschei- nen lassen?

Es ist keineswegs absurd, daß eines Tages vielleicht der Frie- densnobelpreis an irgendeine Mata Hari verliehen wird, weil sie den „Spion, der aus der Kälte kam" auf ihrer Matrat- zen-Horchanlage aufgewärmt, dabei alles über die letzte An- dacht in der Roten Kapelle erfragt und so per Untergriff einen gegnerischen Übergriff verhindert hat.

Bleibt noch die dritte Seite der Medaille: nämlich die Rolle der Wiener Kaffeehäuser, auf deren west-östlichen Divans sich der Nachrichtenhandel abgespielt hat. Was soll aus diesen gemütlichen Info-Zen- tralen werden, wenn alle abrü- sten, NATO und Warschauer Pakt verschmelzen, der Tech- nologie-Transfer durch Joint ventures legalisiert abläuft?

Keine Sorge, das Wiener Kaf- feehaus überlebt sogar diesen Niedergang der hochdekorier- ten Vaterlandsverräter zu grenzüberschreitenden Frie- densstiftern! Was sollte denn auch die bald pensionierte Fünfte Kolonne Europas ande- res tun, als sich in Wien im Kaffeehaus zu treffen und von den guten alten Zeiten zu er- zählen.

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