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Das Bekenntnis des Kaplans

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Früher fuhr man in die „Sommerfrische“. Das Wort gibt es kaum mehr, seit sich die Ferienziele auf einen Bereich zwischen Mallorca und Kreta verteilt haben. Die Sommerfrische war noch die Verlagerung des Großstadtlebens aufs Land, nahezu die gleichen Leute trafen sich wieder. Arthur Schnitzler führt dieses Sommerfrischenleben in seinem letzten vollendeten Stück „Im Spiel der Sommerlüfte“ vor, das im Jahr 1929 im Deutschen Volkstheater uraufgeführt wurde, seither in Wien nicht mehr auf die Bretter fand und nun im Theater in der Josefstadt zu sehen ist.

Bildhauer Friedlein verbringt einen der Sommer Ende des vorigen Jahrhunderts mit seiner Frau Josefa, Sohn Eduard und Nichte Gusti in einem niederösterreichischen Dorf. Man trifft sich mit Bekannten, plaudert, macht Ausflüge. Gusti gibt dem sie jungenhaft bedrängenden Eduard in einer Berghütte kurz nach, sie verabschiedet den sie eifersüchtig liebenden Arzt Dr. Faber, denn sie wird in ein paar Tagen ein Engagement als Schauspielerin am Innsbrucker Stadttheater antreten. Diese Szenen haben vor allem durch sie etwas von der Leichtigkeit sommerlicher Beziehungen, was sich begibt, was gesprochen wird, wirkt liebenswürdig konventionell, nicht mehr.

Doch da gibt es eine Überraschung: Schnitzler setzt subtil Religiöses in Szenen mit dem Kaplan des Dorfes ein. Als dieser Kaplan erfährt, daß sein Zwillingsbruder, ein Leutnant, ein Duell hat, das nicht mehr zu verhindern ist, kommt es mit Frau Josefa zu einem längeren Gespräch, in dem er bekennt, daß er Neid auf die Abenteuer seines Bruders spürte, wodurch sein Gebet ohne Demut war und er möglicherweise der himmlischen Gnade verlustig sei. Schon hierin zeigt Schnitzler ein wirkliches Verständnis für die vertjefte Gläubigkeit eines Priesters. Ja, noch mehr: In einem weiteren Gespräch bezichtigt er sich mangelnder Glaubenskraft, sein Gefühl der Geborgenheit bei Frau Josefa sei größer gewesen als das auf den Stufen des Altars, er werde hinfort demütig nur Gott vertrauen. Jedenfalls bietet Schnitzler einen erstaunlichen Einblick in die Seele eines jungen Priesters, die von feinfühlender Behutsamkeit zeugt. In diesen beiden Szenen ergibt sich partiell der Wert des Stückes.

Für die Schnitzlerschen Zwischentöne, die sich durchaus auch hier finden, hat Dietrich Haugk das rechte Gefühl. Eugen Stark entwickelt sich vom vorzüglichen Sprecher mehr und mehr zum Darsteller, so gelingt ihm der Kaplan recht gut, doch müßte diese Gestalt etwas mehr von innen her gespielt werden. Bei Ursula Schult dagegen spürt man bei aller Gehemmtheit der Frau Josefa die Innerlichkeit Sylvia Afanas gibt der Gusti eine drollig wirkende erotische Unbekümmertheit, Alexander Waech-ter dem Eduard das nett Jungenhafte. Das Bühnenbild von Roman Weyl mit glasüberdachtem Platz vor dem Haus entspricht eher dem Cot-tage als einem niederösterreichischen Dorf.

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