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Der Glas-Schatz in Linz

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Das oberösterreichische Landesmuseum in Linz besitzt eine der bedeutendsten österreichischen Sammlungen der heute so geschätzten Jugendstilgläser der Glasfabrik Johann Loetz Witwe in Klostermühle in Böhmen. Es verdankt seinen Bestand an „Loetz-Gläsern“ mit ihrem irisierenden und „lüstrierenden“ vielfarbigen Glanz einem museumsgeschichtlichen Glücksfall: Max Ritter von Spaun (1856 bis 1909), der Besitzer der legendären Glasfabrik, war gebürtiger Linzer und Neffe jenes Anton von Spaun, der 1835 den oberösterreichischen Musealverein gegründet hatte.

Der Verein wurde von Anfang an mit reichen Schenkungen seiner Mitglieder bedacht. Der ersten großen Glasspende von 80 Gläsern vorwiegend venezianischen und böhmischen Ursprungs als Teil eines umfangreichen Legates des Hofrats Moritz von Az folgten 1898, 1903 und 1910 die Spaun'schen Schenkungen. 1904 erhielt das Museum eine umfangreiche Kollektion von historisti-schen Gläsern von der berühmten böhmischen Glasfabrik J. und L. Lobmeyr mit Sitz in Wien. Erst 1920 wurde aus dem Museum Francisco Carolinum das oberösterreichische Landesmuseum, und die Sammlungen gingen in den Besitz des Landes über.

Die Schwerpunkte der europäischen Glaserzeugung, Venedig und Böhmen, sind auch im Landesmuseum vorrangig vertreten. Heimisches tritt nur in Form der volkskundlichen sogenannten Waldgläser des Böhmerwaldes in Erscheinung.

Die Linzer Sammlungen enthalten eine ganze Reihe von venetia-nischen Gläsern. Die des 16. und 17. Jahrhunderts waren von äußerster Einfachheit. Es handelt sich zumeist um farbloses Glas.ft mit einfarbigem Fadenzugdekor. Neben den farblosen Gläsern erzeugte Venedig auch Jaspis-, Achat-, Aventurinware und Mü-lefiorigläser. Die Linzer Sammlungen weisen einige hauchdünne Stengelgläser, Reticellagefäße, Millefiori- und Achatschalen auf. Während die deutschen Gebiete lange Zeit nur Waldglas erzeugten, welches wenig qualitätvoll war, tritt Deutschland am Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Erfindung Kaspar Lehmanns, farbloses Glas wie einen Bergkristall zu schneiden, als Konkurrent Venedigs auf.

Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wird Nürnberg führend. Die Sammlungen des Museums besitzen eine Reihe von deutschem Waldglas des 15. und 16. Jahrhunderts. Kostbarer sind die mit Emailmalerei versehenen Wappengläser der Zeit um 1600. Auch deutsche Achatgläser finden sich bei uns. Die eigentliche deutsche Spezialität sind die geschnittenen Kristallgläser Nürnbergs, von denen das Museum einige besitzt. Ab dem 18. Jahrhundert riß Böhmen die Führung in der internationalen Glaskunst an sich und behielt sie bis in die Zeit des Jugendstils um 1900.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts bringt große Neuerungen im Technischen: färbige Ätzung, Uberfangung des farblosen Glases. Es kommt zu einer stärkeren Verwendung des Schliffs. An die Stelle des Pokals tritt nun der Becher. Die farblosen Gläser sind meist schwer geschliffen.

Um 1900 setzt eine Reaktionsbewegung auf den Nachahmungstrieb der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, des Historismus, ein. Am Beginn dieser Entwicklung steht die Glasfabrik Johann Loetz Witwe. Die Formen werden weich und fließend. Ein anderer Typus ist das farbig überfangene, geschnittene Glas. Loetz arbeitete auch für die Wiener Werkstätte, für die Gläser in streng geometrischen Formen ausgeführt wurden. Die Glasproduktion des Jugendstils, die im frühen 20. Jahrhundert auf alle europäischen Schwerpunkte verteilt ist, wird in den Sammlungen nur durch böhmisches Glas repräsentiert. Bis zum 20. Jahrhundert gab es für die Glaszentren Venedig und Böhmen keine echte Konkurrenz. Wie auf allen Gebieten hatte auch auf dem Gebiet des Glases Europa im 14. Jahrhundert die Führung von den arabischen Ländern, den Erben der Spätantike, übernommen, doch orientalisches Glas enthält die Linzer Sammlung keines. Auch die in Europa seit dem Beginn des Kathedralbaus geübte Herstellung sakraler Glasfenster hat in der Sammlung keinen Niederschlag gefunden, doch sei auf ihren Bestand an römischen und volkskundlichen Gläsern hingewiesen.

Die Autorin leitet die Glassammlung des oberösterreichischen Landesmuseums.

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