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Spitzenwerke der Glasmacherkunst

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Im 12. Jahrhundert zogen die ersten U Glasmacherfamilien ■ von Westen her U nach Böhmen. In U den dichten Wäl-S dem fanden sie die _jHL_ idealen Voraussetzungen für ihr Handwerk: einen schier unermeßlichen Reichtum an Holz und die quarzführenden Granite und Gneise des Böhmischen Massivs. Vom Erzgebirge, Isergebirge und Riesengebirge im Norden breitete sich die Glaserzeugung später in den Süden des Landes aus.

„Glas aus dem Böhmerwald" gibt ein umfassendes und eindrucksvolles Bild von der Glasmacherkunst zu beiden Seiten der europäischen Wasserscheide. Die ältesten der rund tausend Exponate stammen aus dem späten Mittelalter, die jüngsten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

Die im Jahr 1993 von Düna Panenkova für das Museum in Budweis zusammengestellte Schau von Produkten südböhmischer Glashütten wurde in Linz durch Beispiele von der österreichischen Seite des Böhmerwaldes ergänzt. Funde aus den vor kurzem durchgeführten Grabungen bei Bad Leonfelden und bei Liebenau im Mühlviertel sowie aus der ehemaligen Glashütte Reichenau im Waldviertel geben interessante Einblicke in die Geschichte des österreichischen Glasmacherhandwerkes nördlich der Donau.

Dazu kommen zahlreiche Trink- und Andenken-, Tauf-, und Firmungsgläser, die vom Biedermeier bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts beliebte Geschenke waren. Neben Deckelkrügen und Schalen, Karaffen und Bechern findet man auch Weihbrunnkessel und bemalte Uhrengewichte.

Eine Kuriosität sind die „Leckhaferln", die am Rockenstab befestigt wurden: So hatten die Frauen das Wasser gleich bei der Hand, wenn sie beim Spinnen von Zeit zu Zeit ihre Finger befeuchten mußten.

Das Mühl- und Waldviertler Glas wurde in erster Linie für die unmittelbare Umgebung erzeugt und hält sowohl in der Quantität als auch in der Qualität keinem Vergleich mit dem Böhmischen Glas stand, das in alle Welt ging und zu einem festen Begriff wurde. Diesem ist auch der größte Teil der rund tausend Quadratmeter großen Ausstellungsfläche gewidmet.

Die südböhmischen Glashütten lagen oft im Gebiet adeliger Herrschaften, von denen sie außerordentlich gefördert wurden. So haben die zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus Frankreich eingewanderten Buquoys den Raum um Gratzen zu einem Zentrum des Glashandwerkes gemacht. Schon aus dieser Zeit sind schön geschnittene Gläser in der damals modernen „Fasson a La Venise" erhalten.

Weltweiten Ruhm erlangte das böhmische Kristallglas, das sich durch besondere Härte auszeichnete, im 18. Jahrhundert, wobei die Glasschneiderfamilie Lechner Generationen hindurch an vorderster Stelle zu nennen ist. Noch die kleinsten, kaum zehn Zentimeter hohen Becher zeigen eine Fülle barocker Szenen und Ornamente.

Schon im Biedermeier entstanden bemalte Gläser, und in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts trat farbiges Glas immer mehr in den Vordergrund, mit geschliffenem Reliefdekor, kobaltblau, rubinrot, opalgrün über- und unterfangen oder ohne Schnitt und Gravur floral und ornamental bemalt.

Georg August Buquoy erfand das schwarze und rote Hyalithglas, das mit seinen goldenen Dekors von pretiöser Schönheit ist

Als Motive treten besonders Chinoiserien mit Blumen, Käfern,

Schmetterlingen und Drachen auf. Auch Agatine waren beliebt: Gläser, die durch Färbung der Glasmasse Edelsteine nachahmten.

1816 verließ die Familie Meyr Gratzen und gründete bei Winterberg die Hütte Adolf, der 1834 die Hütte. Eleonorenhain folgte, benannt nach dem Fürsten von Schwarzenberg und seiner Gemahlin. Beide Niederlassungen waren im 19. Jahrhundert wichtige Zentren des Glashandwerks, die mit der Wiener Firma Lobmeyr eng zusammenarbeiteten.

Einen neuen Höhepunkt brachte die Zeit des Jugendstil. Die Glashütte Klostermühle, die von der Firma Loetz betrieben wurde, realisierte die Entwürfe von Künstlern der Wiener Werkstätten, wie Josef Hoffmann, Otto Purtscher, Michael Powolny und Kolomann Moser. Der Zerfall der Donaumonarchie und die Weltwirtschaftskrise beendeten die großen Traditionen der Glashütten zu beiden Seiten des Böhmerwaldes.

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