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Im Farbenglanz der alten Gläser

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Gläser sammeln - so lautet der letzte Geheimtip für Freunde von Kunsthandwerk. Ein starkes Interesse nach Biedermeier- und Jugendstilgläsern hat in Wien eingesetzt. Das ist etwas Neues. Sogar die Gläser der fünfziger

Jahre stiegen zur Sammelwürdigkeit auf: ein Phänomen, das von der — relativen — kunstgeschichtlichen Verfügbarkeit der Glaskunst gefördert wird.

Den letzten Höhepunkt für Sammler stellte gewiß die im Dezember zu Ende gehende große Verkaufsausstellung der Galerie Kovacek in der Wiener Innenstadt dar, die mit ihren 440 Exponaten ein Stück österreichischer Kunstgeschichte veranschaulicht.

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts blühte der Glasschnitt, den etwa ein Karl Pietsch für das Wiener Glashandelshaus Lobmeyr zur Vollendung brachte. Rötlich und bläulich überf angene (also in gefärbte Glasmasse getauchte), honigfarben opalisierende, subtil geschwungene Formen: so erscheint das gläserne Repertoire jener Zeit. Dazu kamen die typischen Figuren- und Jagdmotive. Ohne Uberfang ist diese biedermeierliche Schnittkunstblüte, die in ihren mattplastischen Darstellungen zur Farbe kontrastiert, nicht denkbar. Eine Beschäftigung mit dieser Zeit mag anfangs Schwierigkeiten bereiten, da Signaturen weitgehend fehlen. Gegenwärtig wird in Wien eine Gruppe ganz typischer rubinroter Becher mit eben diesen Motiven angeboten, die in biedermeierlicher Einfachheit wenig ornamentierte Uberfänge und Tiefschnitte zeigen.

Für die Mitte des vorigen Jahrhunderts genügte nur mehr der zweifache Uberfang in mitunter aufdringlichen, fast schreienden

Farben, wie man sie noch öfter — eher unbeachtet - in großmütterlichen Haushalten findet. Wenn sie großteils auch als übertrieben und kitschig empfunden werden, so haben sie doch den Stückwert von rund 20.000 Schilling. Heute vergißt man auch, daß sich der berühmte Lobmeyr - dessen Gläser trugen ausnahmslos sein Markenzeichen - erst mit den historisch reproduzierenden Glasformen seinen Namen machte — und diese Formen gingen der Avantgarde Hoffmanns und Povolnys voraus.

Vor der Jahrhundertwende entwickelte sich kurzfristig noch ein ganz seltenes Genre: Der Zeitungscartoonist Hans Schließmann brachte zeitgenössische Karikaturen und doppeldeutige Sinnsprüche auf Glas.

Auch nach 1900 blieb Böhmen erstes Glasexportland:- Große Mode machte zur Jahrhundertwende die Glasmanufaktur Johann Loetz's Witwe in Klostermühle mit ihren effektvollen irisierenden Lüstergläsern: eine Modifizierung des damals so überaus mondän-modischen „Genre Tiffany“ aus New York.

Beim Gläsersammeln trifft man durchaus noch auf weiße Flecken in der kunstgeschichtlichen Landschaft, besonders was Urheberschaft und Herstellung betrifft. So konnten die einst streng gehüteten Geheimnisse der Ly-thialin-Gläser, die - sobald sie übermalt werden — als Steinimitation wirken und mit ihrem Auftauchen einen kurzen, kuriosen Abschnitt in der Kunstgeschichte darstellen, erst in allerjüngster Zeit geklärt werden.

Zum Sammeln bedarf es freilich gewisser Kenntnisse. So muß man, zum Beispiel, wissen, daß etwa Potsdamer Gläser meistens aufgrund von Fehlern im Gemenge glaskrank sind oder daß der Wiener Fürchtegott Leberecht Fischer (1866-1951) mit seinen Nachbildungen — trotz seines F.L.F.-Monogramms - bis heute einige Verwirrung stiftet.

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