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Der Habsburg-Kannibalismus

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Vor 30 Jahren erlebte Wien den Höhepunkt des „Habsburg-Kannibalismus". Am 31. Mai 1961 hatte Otto Habsburg-Lothringen, in Bayern lebender Sohn des letzten Kaisers, zu Protokoll gegeben, daß er auf seine Zugehörigkeit zum Haus Habsburg-Lothringen und auf alle Herrschaftsansprüche verzichte und sich als loyaler Bürger der Republik bekenne - wie es das Habsburgergesetz von 1919 vorsah.

Im Ministerrat stimmten die Sozialisten gegen eine Annahme der Erklärung - womit diese als abgelehnt galt. Der Verfassungsgerichtshof, an den sich Otto Habsburg wandte, wies die Beschwerde wegen Unzuständigkeit ab.

Aber genau zwei Jahre nach der Abgabe sah der Verwaltungsgerichtshof die Erklärung als ausreichend an - was von Vizekanzler Bruno Pittermann und Justizmini-

ster Christian Broda als „Juristenputsch" bezeichnet wurde.

Am 5. Juni - vor 30 Jahren -debattierte der Nationalrat die widersprüchlichen Entscheidungen der beiden Höchstgerichte. SPÖ und FPÖ überstimmten die ÖVP mit einer Resolution, wonach Otto Habsburgs Einreise wegen befürchteter außenpolitischer Folgen „unerwünscht" sei.

Erst in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung wurde es möglich, vom Innenministerium den Reisepaß ausgestellt zu erhalten, mit dem Otto Habsburg am 31. Oktober 1966 erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder österreichischen Boden betreten konnte.

Und erst der historische Handschlag mit Bruno Kreisky beendete die Diskussion, die als „Habsburger-Kannibalismus" in die Geschichte der Zweiten Republik eingegangen ist.

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