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Dialog der Unvollkommenen

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Die unsympathische und falsche These: Wissenschaft hat nichts mit Politik zu tun, darf nichts mit Politik zu tun haben. Die Wissenschaft und ihre Vertreter haben ihr eigenes Ethos, das den Repräsentanten der Politik (und damit der Gesellschaft) nicht verantwortlich ist. Die Wissenschaft hat sich fern von der Politik zu halten, sie muß die Berührung mit der Politik vermeiden.

Die sympathische, aber ebenso falsche Antithese: Das Ethos der Wissinschaft ist kein spezifisches, die Wissenschafter sind Menschen wie du und ich, ihre Verantwortung ist die der Staatsbürger. Sie beteiligen sich als solche an der Politik, und sie sind den Repräsentanten der Gesellschaft, sie sind der Politik verantwortlich. Wie andere Bürger eben auch.

Beides ist nicht richtig, weil Politik und Wissenschaft nicht einfach so trennbar sind. Die Politik ist nicht unwissend, die Wissenschaft ist nicht unpolitisch; der Wissenschafter ist nicht frei von politischen Präferenzen, der Politiker ist nicht frei von Sachwissen.

Weil die beiden Funktionen voneinander nicht streng abgrenzbar sind, bedarf es des ständigen, des kritischeji, des skeptischen, aber auch des offenen Dialogs. ^

Die Politik repräsentiert in diesem Dialog die gesellschaftliche Verantwortung, die Einbindung der Wissenschaft in die Gesellschaft.

Die Wissenschaft steht in diesem Dialog für den Bezug zur Realität — der Natur, der Gesellschaft, des Menschen.

Beide brauchen einander: Die Wissenschaft braucht die Politik — nur durch die Politik bekommt die Wissenschaft die

Voraussetzungen für ihr Wirken bereitgestellt. Die Politik braucht die Wissenschaft — nur durch die Wissenschaft erhält die Politik das Korrektiv der Wirklichkeit.

Die Praxis ist leider nur allzuoft ganz anders. Die Politik mißbraucht die Wissenschaft -als Staffage, als beliebige Produktion von beliebigen Gutachten, als gehobenes Wahlkampfinstrument, t

Und die Wissenschaft mißbraucht die Politik — als Melkkuh persönlicher Ambitionen, als Objekt der Verachtung gegenüber der „Masse“ und ihrer angeblich in den Politikern sich ausdrückenden Unvernunft.

Beide Seiten sollten demütiger sein. Beide sollten sich ihrer Unvollkommenheit bewußt sein. Beide Seiten sollten begreifen, daß sie einander brauchen.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.

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