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„Die Wahrheit ist eine sehr wirkungsvolle Waffe“

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.Abweichend von vielen Klischees wurde die Erfahrung gemacht, daß in der Politik die Wahrheit eine sehr wirkungsvolle Waffe ist“, konstatierte Finanzminister Dr. Hannes Androsch kürzlich in einem Vortrag anläßlich der volkswirtschaftlichen Tagung der österreichischen Nationalbank in Baden. Eine erfreuliche Erkenntnis.

Im gleichen Vortrag kam Androsch auch auf die angeblich zu jedem Zeitpunkt „konjunkturkonforme“ Finanzpolitik seines Ressorts zu sprechen: In der Hochkonjunkturperiode von 1970 bis 1974 sei die Haushalts Politik des Bundes restriktiv gewesen, in der anschließenden Rezessionsphase habe er die Budgetpolitik mit Hufe von kreditfinanzierten Investitionsausgaben zur Arbeitsplatzsicherung eingesetzt Als Beweis dafür bot der Finanzminister den Anteü der Budgetausgaben am Bruttonationalprodukt an.

Was sagt dazu die in der Politik ach so wirkungsvolle Waffe namens Wahrheit?

Der vom Androsch-Ministerium redigierte ,Arbeitsbehelf zum Bundes-finanzgesetz 1976“ läßt jedenfalls in Teil I auf Seite 311 den interessierten Leser etwas anderes wissen (was freilich nicht denknotwendig bedeutet, daß das „wahr“ sein muß): Der Anteü der Steuern am Bruttonationalprodukt ist demnach in den Jahren 1970 bis 1974 von 36,2 über 37, dann 37,6 und 37,9 auf die beachtliche Höhe von 38,3 Prozent geklettert. Dies steht in dia metralem Gegensatz zu Androschs wiederholten Behauptungen.

Weit davon entfernt, in der Hochkonjunktur restriktiv zu sein oder zumindest nur im gleichen Ausmaß wie das Bruttonationalprodukt zu wachsen - was nach den konjunkturpolitischen Regeln bereits falsch gewesen wäre -, hat das Budget entgegen den apodiktischen Behauptungen des Finanzministers auch während der Hochkonjunktur konstant seinen Anteü am Nationalprodukt vergrößert.

Es ist dies aber nicht der einzige Lapsus. Auch einer Publikation des Finanzministers war zu entnehmen, der Anteü der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge am Bruttonationalprodukt habe im Jahre 1975 nicht mehr als 33,8 Prozent ausgemacht, womit Österreich in Sachen Steuerbelastung im unteren Feld einer Reihung der Industriestaaten zu hegen gekommen wäre. Laut „Arbeitsbehelf zum Bundesfinanzgesetz 1976“ hat aber dieser Anteil im Jahre 1976 tatsächlich 38,7 Prozent betragen. Und lag damit im Spitzenfeld der internationalen Steuerbelastung.

Androsch wird jedes Jahr vorgeworfen, seine Budgetentwürfe enthielten nur „Hausnummern“, wobei dem Minister die Ausrede von angeblich unvorhersehbaren Entwicklungen bleibt. Für das Ignorieren bereits vorhandener statistischer Unterlagen gibt es aber keine Entschuldigung.

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