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Eines Königs Geschichte

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Eduard, Herzog von Windsor, ist in den Morgenstunden des 28. Mai im Alter von 77 Jahren in seinem Pariser Wohnsitz gestorben. Durch zehn Monate regierte er im Jahre L. WB 1937 nicht nur das

Vereinigte Königreich, sondern auch die Besitzungen Großbritanniens „über der See“. Er war der letzte englische König, unter dem das britische Commonwealth noch in seiner ganzen Größe und seinem ganzen Umfang bestand. Er war nicht nur König von England, Schottland und Nordirland, nicht nur König von Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika, sondern auch Kaiser von Indien. Als Thronfolger, als Prince of Wales, war er als „Prince Charming“ der beste Vertreter Englands in der Welt, der seine Heimat, sein Haus und auch vor allen Dingen sich selbst ungeheuer populär machte. Er stolperte über den Versuch, eine zweimal geschiedene Frau zur Königin zu machen. Im englischen Recht gibt es nicht das Problem der Ebenbürtigkeit. Wen ein König heiratet, ist gleichgültig; seine Ehefrau wird auf jeden Fall Königin. Mit einer einzigen Ausnahme: Ein König kann keine geschiedene Frau heiraten. Denn der englische König, heißt es in der ungeschriebenen Verfassung, kann nicht unrecht tun. Nach englischer Auffassung begeht ein Unrecht, wer eine Geschiedene heiratet, auch wenn sie schuldlos geschieden ist. Ein König, der ein Unrecht begeht, hört auf, König zu sein. Und so mußte Eduard VIII.,. trotz aller modernen Zeiten, sich entscheiden, ob er König bleiben oder nicht auf die Frau verzichten wollte. Er wählte, wenn auch sehr schweren Herzens, den letzteren Weg. Prinzessin Margaret, die Schwester der jetzigen englischen Königin, traf in einer ähnlichen Situation eine andere Entscheidung. Vor die Frage gestellt, einen geschiedenen Mann zu heiraten und damit aus der englischen Königsfamilie auszuscheiden oder auf ihn zu verzichten, nahm sie den Verzicht auf sich.

Die Geschichte des modernen England beginnt mit einer Scheidung, der Scheidung Heinrichs VIII. von seiner legitimen Frau. Die Geschichte des viktorianischen England endet mit einer Scheidung, mit der Scheidung Eduards VIII. von seinem Thron. Das Rechtsbewußtsein des englischen Volkes hat die Scheidung Heinrichs VIII. hinnehmen müssen. Gegen die Heirat des achten Eduard mit einer geschiedenen Frau rebellierte das britische Volk. Beachtlich — auch heute noch —, daß ein Volk von seinem Herrscher verlangte, er möge die Pflicht über seine Privatinteressen stellen.

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