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Energiepolitik macht Schule

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Wenn vom Direktor bis zu den Schülern alle der Meinung sind, daß der Unterricht ein voller Erfolg war, dann liegt der Verdacht nahe, daß tatsächlich etwas für das Leben gelernt wurde.

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Wenn vom Direktor bis zu den Schülern alle der Meinung sind, daß der Unterricht ein voller Erfolg war, dann liegt der Verdacht nahe, daß tatsächlich etwas für das Leben gelernt wurde.

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Die Schüler der zweiten Klassen der Hauptschule Ternitz-Pott-schach im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen waren nur sehr selten in ihren Klassenräumen anzutreffen, als sie im März 1993 als „Energie-Spürnasen” unterwegs waren: Mittels Fragebögen wurden von den Haushalten Informationen über Gebäudezustand und Wärme-Dämmsituation erhoben.

Unter Anleitung des Hauptschullehrers Walter Holzbauer wurden die Fragebögen mit Computer ausgewertet und die Ergebnisse an die beteiligten Haushalte verschickt. Diese erhielten damit eine ausführliche Darstellung ihrer Energiesituation samt Einsparungspotential. Gleichzeitig erstellten die Schüler -als „Amateur-Zivilingenieure” - ein Energieverbrauchs- und Einsparungsszenario für die ganze Gemeinde, und lieferten damit eine Entscheidungsgrundlage für die Stadtväter, um kommunale Energiesparmaßnahmen zu verwirklichen.

Ermöglicht wird dieses Modell durch ein am Bundesrealgymnasium Imst (Tirol) in Zusammenarbeit mit dem Energiesparverein Vorarlberg und der Universität Innsbruck entwickeltes Computerprogramm, das erstmalig die Auswertung von Energiedaten auf Haushalte, Gemeinden, beziehungsweise einzelne Teile von Gemeinden bezogen ermöglicht. Der Imster AHS-Lehrer Gottfried Mair, Initiator und treibende Kraft des Projekts: „Durch die hohe Bedienerfreundlichkeit ist auch Computerunerfahrene eine geringe Einschulungszeit erforderlich.” Optimal also für die Arbeit mit Schülern und interessierten Laien.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. In über 85 Kreis-, Balken-, Linien- und Textgraphiken können Zusammenhänge zwischen den ausgewerteten Daten hergestellt werden: die Gesamt-COv Emissionen der Gemeinde ebenso wie die häufigsten Mängel bei der Wärmeversorgung oder Einsparungs-möglichkeiten. Erzieherischen Wert erfährt das Projekt zudem durch die Gestaltung von Energiesparausstellungen durch die Schüler, den Besuch von Heizkraftwerken und die Diskussion mit Fachleuten aus der Energiewirtschaft. Die Pädagogen würdigen die Vorbildwirkung des Projekts für neue Formen des Schulunterrichts. Kurt Dropetz, Bezirksschulinspektor des Bezirks Neunkirchen: „Es ist ein ganz neues Lernen, das jetzt in den Hauptschulen Eingang findet.”

In allen Gemeinden, in denen das Projekt durchgeführt wurde, konnten die Schüler konkret Einfluß auf eine ökologische Umgestaltung der -kommunalen - Energiepoli-tik nehmen. So zum Beispiel im Tiroler Fulpmes, wo für die Sanierung der Volksschule 1,2 Millionen Schilling von der Gemeinde veranschlagt worden sind. Oder eben in Ternitz, wo der Gemeinderat den Beschluß faßte, die Wärmedämmung von Außenmauern mit 10.000 Schilling zu fördern.

Die Gemeinde Pfunds (Tirol) versucht gar, mit einer Energieverbrauchserhebung und begleitenden Energiesparmaßnahmen ein geplantes Innkraftwerk zu verhindern. Die

Folgewirkungen des Projekts sind beachtlich. Daß solche Initiativen natürlich weit über Gemeindegrenzen hinausgetragen werden sollen, liegt angesichts dringend anstehender Umweltprobleme auf der Hand. Gottfried Mair: „Ich träume von einer Vielzahl konkreter Schritte auf kommunaler Ebene und von einer internationalen Zusammenarbeit zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. ”

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