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Erste KAB der Welt

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Anton Orel, heute selten genannt, war eine der profiliertesten Persönlichkeiten seiner Zeit. Schon als Gymnasiast verspürte er im Wetterleuchten der drohenden europäischen Katastrophe des Ersten Weltkrieges, der nahenden Kulturdämmerung und der sozialen Gewitterwolken die Herausforderung der Gegenwart zu einem neuen geistigen Aufbruch.

1904/1905 erweckte er mit einigen Freunden auf

Wiener Boden im christlichen Lager die erste echte Jugendbewegung. Diese war auch die erste christliche Jugendbewegung im gesamtdeutschen Sprachgebiet und zugleich die erste katholische Arbeiterjugendbewegung der ganzen Welt, von der später nach eigener Erklärung ein Josef Cardijn gelernt hatte.

Zu seinem Beginn umfaßte der von dem Studenten Orel geführte Bund nur Jungarbeiter, entfaltete sich aber rasch zu einer alle Stände umfassenden Jugend- und Erneuerungsbewegung. Sofort nahm der Bund den Kampf auf für die Lebensrechte der Ärmsten und Schwächsten der damaligen Zeit: die Lehrlinge beiderlei Geschlechts.

Die Notwendigkeit einer

Gewerbeschulreform drängte sich einem wachen Gewissen förmlich auf. Und schon am 1. Oktober 1907 erfolgte diese Reform auf dem gesetzlichen Weg dank dem Ansturm, den Orel und die Seinen auf die öffentlichkeit, alle Behörden und die einzelnen Abgeordneten ausübten.

Die sogenannte Orel-sche Jugendbewegung brachte schon zu ihrer Zeit einen Typ mündiger Christen zum Reifen. Sie fand auch fruchtbare Verbindungen zu nichtdeutschsprachigen Gruppen und geistig führenden Persönlichkeiten fast aller Länder der alten Monarchie. Nach einem Ausspruch des bekannten Liturgikers Pius Parsch erhofften viele vor 1914 von ihr eine Verjüngung und planvolle Umgestaltung des müden Vielvölkerstaates.

Orel hat die Lehren des Altmeisters Karl Vogelsang vor dem Vergessen; und vor Verwässerung bewahrt, selbstschöpferisch weitergeführt und noch vertieft. Er wurde zum Anreger und Antreiber des sozialen Katholizismus und zum Brückenbauer zum Ufer der kirchenfernen Arbeiterschaft.

Von ihm gingen allezeit Kraftströme und Impulse aus, die sich weiterhin auswirken.

Orels glänzende Feder schuf ein reiches Schrifttum, das allerdings heute leider vergriffen ist. Aus diesem hervorgehoben seien hier nur seine Jugendschrift aus dem Jahre 1909, „Kapitalismus, Bodenreform und christlicher Sozialismus", welche zu vielen politischen Debatten Anlaß gab und sogar von Karl Renner hoch gelobt wurde, und seine kulturphilosophische Hauptarbeit „Das Grundproblem der Kultur", das nicht nur von Theologen, sondern auch von Hermann Bahr wegen „seiner Meisterschaft mit Bewunderung" bedankt wurde.

Schließlich sei an sein sozialwissenschaftliches Hauptwerk „Oeconomia perennis" erinnert, das neben einigen Anfeindungen glänzende Kritiken im In- und Ausland fand und einmal wegen seiner Bedeutung als ein „erratischer Block" bezeichnet wurde, „hineingeworfen in das Geplätscher der Kathederweisheit".

Orel hat wohl keine Schule im direkten Sinn hinterlassen, aber sein Geist wirkt weiter über die Grenzen einer solchen hinaus.

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