Mückstein: Weich wie ein Turnschuh

Der Hauptverantwortliche für das gegenwärtige Lockdown-Desaster ist bereits zurückgetreten, wenn auch aus anderen Gründen. Aber was ist mit unserem Gesundheitsminister? Als der redlich abgekämpfte Rudi Anschober im April zurücktrat, betrat der Mann der Praxis die politische Bühne effektvoll, nämlich mit Turnschuhen: Ich bin Arzt, lassen Sie mich durch! Seinem Vorgänger beschied er, der Lockdown im Herbst 2020 sei jedenfalls um drei Wochen zu spät erfolgt und die zweite Welle in diesem Ausmaß zu verhindern gewesen. Er diagnostizierte eine „Paralyse beim Krisenmanagement“. Die Landeshauptleute hätten zu lange gebremst, mit ihm werde es das nicht geben, keine Kompromisse, sobald es um Menschenleben gehe. Das Wesentliche sei nun „transparente Kommunikation“ und „nachvollziehbare Entscheidungsprozesse“.

Im Mai widersprach er Kanzler Kurz, der Lockerungen für den Sommer angekündigt hatte – für „Luftschlösser“ sei er nicht zu haben. Dann muss etwas passiert sein, entweder eine Kopf- oder eine Gehirnwäsche. Denn zwei Tage später preschte der Gesundheitsminister selbst mit der Ankündigung von Lockerungen voran und nannte einen noch früheren Termin. Kurz erklärte, die Pandemie sei vorbei, und Mückstein rief der Jugend zu: „Jetzt seid ihr dran!“ Nicht mit dem Impfen, sondern mit dem Feiern.

In der Folge trat er vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen gegen die Einführung von 2G als Impfanreiz, gegen die sonstige Bevorzugung von Geimpften, gegen eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen und gegen eine allgemeine Impfpflicht ein. Die Durchimpfungsrate sei ein Faktor, „den wir am wenigsten selbst beeinflussen können“. Echt? Von der Dringlichkeit der dritten Impfung hörte man aus dem Ministerium erst, als das schöne Wort „Impfdurchbruch“ schon die Spatzen von den Dächern pfiffen. Gründlicher kann man in dem Job nicht scheitern.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.