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Friedhöfe aus Träumen

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Ein Ausschuß des kanadischen Senates, das Committee on Mass Media, kam nach dem Studium des Pressewesens der Nation zu der Feststellung, daß die Tageszeitungen kaufmännisch „fast doppelt so gewinnbringend sind wie eine Schachtel- f abrik oder ein Warenhaus“.

Kanada hat 116 Tageszeitungen, von denen 93 keine lokale Konkurrenz haben. 77 Tageszeitungen des zweitgrößten Landes der Erde gehören Zeitungsketten oder werden von ihnen kontrolliert. „F. P. Publications“ (acht Zeitungen, Durchschnittsauflage 855.000) führt vor der South am-Gruppe (11 Zeitungen, Auflage durchschnittlich je 850.000) und der Thomson-Kette (30 Zeitungen, Auflage je 400.000). In der vorwiegend französischsprachigen Provinz Quebec dominiert die Desma- rais-Parisienne-Francoeur -Gruppe mit vier Zeitungen bei Auflagen um 320.000.

Die Tatsache, daß 93 der 116 kanadischen Tageszeitungen keine lokale Konkurrenz haben, wird hauptsächlich damit erklärt, daß die Regierungen hier die Tendenz haben, Lizenzen für Hörfunksender an private Unternehmer (mit guten politischen Verbindungen) zu vergeben; die Einnahmen dieser Hörfunksender stammen ausschließlich aus der Werbung. In Toronto beispielsweise besitzt Johnny Lombardi, Besitzer eines Supermarkets, zwei Hörfunksender. Auch die privaten Fernsehsender beziehen ihre Einnahmen aus der Werbung. So werden der Presse Riesensummen (für entgangene Inserate) entzogen, was die Gründung neuer Großstadtzeitungen im zweitgrößten Land der Ende seit vielen Jahren unmöglich macht und den Aufkauf von Zeitungen in kleineren Städten durch Ketten erleichtert.

Heute gibt es in Toronto, Kanadas reichster Stadt, nur eine Morgenzeitung und zwei Abendblätter, trotz einer Einwohnerzahl von 2,3 Millionen. Anderseits haben große Städte wie die Stahlmetropole Hamilton oder Edmonton, die Hauptstadt der ölreichen Provinz Alberta, nur eine tägliche Zeitung. In Vancouver, der größten Stadt der kanadischen Westküste, gehören die beiden Tageszeitungen dem gleichen Unternehmen.

Die meisten „Dailies“ (48) gibt es in der reichsten Provinz, Ontario, Bevölkerung 7,6 Millionen. In Kanadas größter Provinz, Quebec, Bevölkerung 6,1 Millionen, gibt es nur 14 Tageszeitungen. Kanadas beste Zeitungen erscheinen in Toronto und Montreal, den beiden größten Städten, deren Einwohnerzahl 2 Millionen übersteigt. Verständlicherweise sind hier die Auflagen am größten und der Wettbewerb um die Leser und der Kampf um die journalistischen Talente am schärfsten.

Finanziell schneiden am ‘besten Tageszeitungen mit einer Auflage von mehr als 100.000 oder unter 10.000 ab. Ihr Reingewinn erreicht im

Durchschnitt mehr als 16 Prozent. Anderseits ist die Bezahlung der Redakteure schlecht. Bemerkenswert die Feststellung der Senatoren: „Die meisten kanadischen Redaktionen sind Friedhöfe zerbrochener Träume.“

Das Jahreseinkommen der meisten Redakteure liegt unter 9000 Dollar — kaum ein Drittel des durchschnittlichen Jahresverdienstes der Ärzte. Wenige Redaktionen sind gewerkschaftlich organisiert. Die „Newspaper Guild“ hat nur Verträge mit 12 kanadischen Tageszeitungen.

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