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Im Gedenken an Rudolf Sallinger

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Sein Wirken war so vielseitig, daß*es schwierig ist, in wenigen Zeilen das Wesentliche daran herauszustellen: 1964, als Sallinger nach dem Tod von Julius Raab Präsident der Bundeswirtschaftskammer und Obmann des Österreichischen Wirtschaftsbundes wurde, war die Große Koalition der 0 VP und SPÖ schon in ihrer Endphase; die Sozialwirtschaft, in dieser Zeit entwickelt, hatte unter schwierigen Bedingungen Bewährungsproben zu bestehen. 1966 erschien es nicht selbstverständlich, daß sie unter der Alleinregierung der ÖVP in der bisherigen Form weiterbestehen konnte, ebensowenig nach 1970 unter jener der SPÖ. Es war viel politischer Spürsinn, viel an persönlichem Engagement von Sallinger erforderlich, die für den sozialen Frieden und die politische Stabilität Österreichs so notwendige Sozialpartnerschaft weiterzuführen.

Es gab viel Kritik auch bei politisch dem Bundeskammerpräsidenten Nahestehenden. Sallinger hat mit unerhörtem Weitblick die Gemeinwohlinteressen, aber auch das Gesamtinteresse der industriell-gewerblichen Wirtschaft gesehen. Die gleiche Grundeinstellung hat Sallinger auch in der Frage der europäischen Integration eingenommen: Auch hier hat er nicht Gruppen- und Sonderinteressen einzelner Branchen im Auge gehabt, sondern die Langzeitperspektiven.

Im ersten Grundsatzprogramm der österreichischen Handelskammerorganisation 1978 hat Sallinger eine zukunftsweisende marktwirtschaftliche Konzeption herausgestellt und auch hier Weitblick gezeigt. Ein besonderes Anliegen Sallingers war die Stärkung der österreichischen Wirtschaft durch eine weltweite Außenhandelsorganisation und eine umfassende Wirtschaftsförderung durch die Handelskammern. Hier hat Sallinger bis zuletzt vorbildlich und zukunftsweisend gewirkt, ohne Rücksicht auf seine in den letzten Jahren seines Wirkens schon angeschlagene Gesundheit.

Sallinger - ein Mann der politischen und wirtschaftlichen Praxis -hat aber auch die Bedeutung der Wissenschaft hoch eingeschätzt; so hat er eine Wissenschaftliche Abteilung in der Bundeskammer errichtet und viel für die Förderung junger Wissenschafter getan.

Schon schwer von seiner Krankheit gezeichnet hat er am 3. Dezember 1991 noch einmal ein Wort der Ermutigung an die neuen Sallinger-Preis-träger gerichtet - dies aus innerster Überzeugung heraus.

Wer Sallingers Weg in der Nähe erleben konnte, weiß, daß er grundsätzlich nur das gesagt hat, wovon er auch überzeugt war. So hat Sallinger trotz seiner guten Kontakte zur Gewerkschaftsführung auch in scharfer Form gemahnt, wenn er den Eindruck drohender Fehlentwicklungen hatte - so am Bundeskammertag im Juni 1979 vor einer einseitigen Kooperation der Regierung und des ÖGB gewarnt.

Ein politisches Meisterwerk war aber gerade die Fähigkeit, das komplizierte Verhältnis der Arbeitgeberseite zu den Arbeitnehmern, zur politisch nahestehenden Organisation der Landwirtschaft und zugleich zur Regierung bei wechselnden politischen Verhältnissen optimal zu gestalten.

Es war ein langer Weg vom Innungsmeister der Wiener Steinmetze über den Präsidenten der Wiener Handelskammer, bis zu den Spitzenpositionen in der Wirtschaft, in Verbindung mit den'parteipoliti-schen Funktionen, so auch dem stellvertretenden Obmann der ÖVP. Sallinger hat viel getan, das heute noch nicht bekannt und bewußt ist.

Wenn Österreich zu einer beachtlich entwickelten Konsensdemokratie gefunden hat, wenn die politische Kultur unseres Landes trotz immer neuer Belastungen durch radikale Kräfte ein hohes Niveau erreicht hat, so hat man dafür auch Sallinger zu danken:

Er hat immer die Bedeutung einer breiten politischen Basis für die Stabilität des politischen Systems erkannt, den Konsens der Sozialpartner für Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und sozialen Frieden.

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