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Jugend der Dichterin

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Nach einem Besuch in „meinem geliebten Institut“, dem Institut Beatae Mariae Virginis der Englischen Fräulein in Sankt Pölten, schrieb Paula von Preradovic m einem Brief an die Obervorsteherin „von dem wunderbaren Geist, der das ganze Haus so spürbar erfüllt und der sich besonders auch im Gehaben der Zöglinge so deutlich ausspricht“.

Sie war Schülerin des Instituts, ein junger Mensch in der Arbeit des Lernens. Die Bildungsstätte in Sankt Pölten, „diese besondere Welt“, war für sie prägende Kraft, die der „später in die Tiefe sich verwurzelnden Verbundenheit mit der Kirche und ihrem Glauben den Weg bereitet“. So wurde es von ihrem Ehemann, dem Publizisten Ernst Molden, bezeugt.

Ihre Schulen liegen in Pola, in Sankt Pölten und in München; und die Schulen der Paula von Preradovic sind immer das ganze Haus, umfassen Landschaft und Kultur, sind in eine weite, offene Welt eingebettet.

Paula war knapp zwei Jahre alt, als die Familie von Wien nach Pola übersiedelte. Ihr Vater, Dusan von Preradovic, erhielt nach Dienstleistung in der Marinesektion des Reichkriegsministeriums seine neue Stationierung im Zentralkriegshafen der Monarchie.

Pola, das führt zur Legende vom König Aepulo, zur Pietas Julia der Römer, zu Pulj, zu Pula, zur langen Geschichte der istrischen Halbinsel mit dem „kurzen Tag der Österreicher“. Meer, Küstenlandschaft, Karst, Heide und die intensiv erlebte Nähe zur Dichtersprache des Großvaters Petar von Preradovic: Mosaiksteine der ersten Eindrücke ergeben ein Ganzes. Zugleich aber erlebt das Kind, geführt von der Mutter und von einigen Lehrerinnen ihrer Schule, Geist und Reichtum der deutschen Sprache. Paula von Preradovic besuchte in Pola bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr die „Marine-Volks- und Bürgerschule für Mädchen“.

Die Sankt Pöltener Sonette“, die Paula von Preradovic den Englischen Fräulein von Sankt Pölten gewidmet hat, bringen durch ihre rührenden und berührenden Bilder die Erlebniswelt des Kindes und jungen Mädchens als Zögling des Pensionats zum Ausdruck. Sankt Pölten ist ihr eine „Stadt der Kindheit“ („vom frohen Kinde, das ich war,/ muß auf diesen Brücken, diesen Hügeln/eine Spur noch mit dem Winde flügeln“), in sie kehrte sie „Nach den Ferien“ heim, „Reisetasche in der Kinderhand/durch die Kleinstadtstraße eilte ich“, in das Haus des Instituts: „Reich geschmückt mit Muschel und Figur ,/die geliebte, die Barockfassade.“ Im Inneren ist „Der große Korridor“ die strenge, klare Ordnung, geregelte Bindung in die Tradition: „Du bist es wieder, den wir tausendmal geschritten,/ paarweis, strengen Kleids und schweigend... /Du bist derselbe, den vor hundert Jahren/gleich glatten Haares und in gleicher Zucht,/die heut begraben sind, gegangen waren.“

Ausflüge, Wanderungen zum „Meierhof“ („Wieder wandern wir zur Stadt hinaus/streng gereiht, an Mittwochnachmittagen“), steigen aus der Erinnerung, verdichten sich zu eindringlichen Bildern. Wir sehen die Gruppe und die einzelne: „In ihren grauen Klosterpelerinen/sangen die Mädchen sommerfroh und laut./ Doch stumm vor Glück schritt eine unter ihnen.“ Als Vision des rastlosen, unermüdlichen Wirkens entsteht das „Bildnis der Mary Ward“, das Bild der Gründerin dieser Gemeinschaft und dieses Instituts einer von neuen Ideen bestimmten Mädchenbildung. Der gerechte Mensch, den Maria Ward in ihrer „Vision der gerechten Seele“ sieht und anspricht, handelt als Tatmensch in Einfachheit: ein Leitbild, das für Paula von Preradovic bestimmend wird.

Die Pensionatsschule — das Lyzeum wird am Institut erst einige Jahre später eingeführt - schließt für Paula von Preradovic mit der ,.Neunten“ Und mit dem ,.Kurs“. Sehr moderne Pädagogik wirkt in diesen letzten Bildungsstufen einer „Höheren Töchterschule“, denn wir könnten es in unserer heutigen Fachsprache so ausdrücken: Abschluß, Zusammenfassung und Vertiefung der einzelnen Fachgebiete, fachübergreifender Unterricht, Projektunterricht, Praxisbezug, lebens-kundliche Orientierung. Moderne Fremdsprachen werden intensiv gepflegt, Staatsprüfungen in diesen Fremdsprachen (Französisch, Englisch) abgelegt.

Nach sechs Jahren in Sankt Pölten kehrte die bald Zwanzigjährige nach Pola zurück. In dieser zweiten Polesaner Phase teilte Paula von Preradovic ihre Zeit stürmisch, ja fast hektisch zwischen der Lektüre der modernen Literatur und den langen Diskussionen im Marine-Ca-sino, dem kulturellen und gesellschaftlichen Zentrum in Pola. Es kam dann zum abrupten Ende dieses Abschnitts und damit zum plötzlichen Abschied vom Meer. 1913 bezog Paula von Preradovic ihre dritte und letzte Bildungsstätte, den fachlich und pädagogisch sehr anerkannten Pflegerinnen-Kurs des Bayrischen Roten Kreuzes in München. Die Schlußprüfung legte sie kurz vor Ausbruch des Krieges ab und ging dann nach Wien zurück.

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