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Wie ich sie kannte

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Paula von Preradovic hatte ihr Talent zweifellos von ihrem Großvater Petar von Preradovi6 geerbt, der als kroatischer Nationaldichter heute noch mit einem Denkmal in Agram geehrt wird. Während er fast ausnahmslos kroatisch schrieb, hat sie selbst nur in deutscher Sprache gedichtet; beide waren ihrer Erziehung und Den-kungsweise nach Altösterreicher. Wenngleich beste Kenner und Bekenner der Geschichte und Literatur ihres Volkes, blieben sie nicht davon befangen, sondern wurden in ihren Persönlichkeiten durch das übernationale Element und Ferment des österreichertums gebildet. — Man könnte an diese Feststellung eine Betrachtung anschließen darüber, ob ähnliche menschliche Konfigurationen wieder entstehen werden, wenn sich die vielen kleinen Nationen, in die Mitteleuropa zerbrochen ist, mit den anderen europäischen Staaten zusammenschließen und ein neues, gemeinsames Vaterland in diesem Geist wachsen würde. Aber ich will hier nicht über Möglichkeiten sinnieren, die einer ungewissen Zukunft vorbehalten bleiben, sondern nur aus meiner Erinnerung aufzeigen, was mich an Paula von Preradovic besonders beeindruckt hat.

Ich bin Zeitgenossin der Dichterin, wenngleich auch um einige wenige Jahre jünger. Ich lernte sie kennen, als ich selbst erst wieder — noch den Geschehnissen von 1918 — im Jahre 1934 nach Österreich zurückkehrte. Bis dahin war von ihren Werken erst der „Südliche Sommer“ erschienen; sie las neuere Dichtungen in kleinen, öffentlichen Lokalen, wo ihre Gemeinde zusammenkam; ich war ergriffen, als ich ihr „Gebet der Österreicher zum heiligen Leopold“ hörte. Danach bat ich sie, auch einmal bei mir — vor Gästen — vorzulesen, welchem Wunsch, sie damals und auch später noch öfter nachgekommen ist. Einmal trug ich bei emer solchen Gelegenheit selbst die „Engel der Toten“ vor. Dieses Werk war für sie besonders bezeichnend, sowohl wegen ihrer Verehrung für den kroatischen Bildhauer Ivan Mestrovi6 als auch wegen der eigenen ,J$ildhauerarbeit“ an diesem Thema; sie hat wahrhaftig „mit Hammer und Meißel“ die Persönlichkeiten der Eltern und Kindler, für die dieses Grabmal errichtet worden war, herausgearbeitet; ihre männliche Feder schlug dabei durch. Ich hatte immer den Eindruck, daß erst ihre Apotheose den Werken von Mestrovi6 das verlieh, was sie selbst darin sah; sie schrieb mit klassischem Ernst über seine Werke, in denen er sich doch bewußt von der Darstelhingsweise vergangener Zeiten abgekehrt hatte.

Sehr beeindruckt — ohne irgendwelche Störung seitens der Werke, denen sie damit huldigte — war ich durch die lebenden Bilder, die sie mit ihrem Kommentar im Redoutensaal der Hofburg darstellte. Sie gab dabei ja auch selbst zu, daß es den „Malern“ nur an den Farbenzusammenstellungen gelegen sei und daß erst sie die Gedanken hineinbrachte. (Unter den Darstellern dieser Bilder war damals auch der junge Baiser.) Das „Sentimentale“ der Dichterin, das deshalb besonders reizvoll war, weil es sehr selten zum Ausdruck kam, trat hier — gestützt durch den ausgezeichneten Vortrag von Frau von Klastersky — ohne Abfall in die Erscheinung. — Erst nach 1934 erschienen „Lob Gottes im Gebirge“ und auch die Prosawerke der Dichterin. Unter den letzteren darf man wohl die „Versuchung des Kolumba“ als ein Meisterwerk bezeichnen.

Was schließlich die Kräfte der Dichterin, die durch ihr Schaffen zweifellos stark in Anspruch genommen war, zu Fall brachte, dürfte weniger durch die großen Veränderungen verursacht worden sein, die sich seit 1938 in unserem Vaterland begeben haben — wenngleich sie ihnen im „Gesang der Zeit“ in ihrer Teilnahme am Leid der Mütter der Gefallenen und an den schrecklichen Zerstörungen durchaus Rechnung trug —, als vielmehr durch persönliches seelisches und körperliches Leiden, das mit Krieg und Kriegsfolgen nichts zu tun hatte. Ihre zarte Konstitution konnte dem nicht mehr standhalten; um so tiefer und inniger dürfte sich ihre Frömmigkeit in dieser Zeit des Niedergangs entfaltet haben.

Es ist mehr als ein Akt der Pietät, wenn jetzt der Molden-Verlag, dessen Leiter und Inhaber ein Sohn der Dichterin ist, zu deren So. Geburtstag eine einbändigt Gesamtausgabe der Werke von Paula von Preradovic“ herausbringt. Neben sämtlichen Prosadichtungen und der Lyrik enthält der stattliche, 1128 Seiten umfassende Band auch Feuilletons, Tagebuchblätter, Briefe und eine Bibliographie. Die Einleitung sowie die Vor- und Nachworte zu den einzelnen Werken schrieb Kurt Ei gl, der auch die Ausgabe betreute.

KLAGE UM DEN TOTEN BRUDER

Ach, ich lebe noch, und du bist tot! Ach, ich atme, und du bist begraben! Dieses frühen Sommers frische Gaben, Ahorngrün und praller Kirschen Rot, Glühn dir nimmer, ach, denn du bist tot, Liebst du nimmer, denn du bist begraben.

Und das Wunder, das voreinst geschah, Bruder, nimmer wird es dir geschehen. Nimmer wird dich salziger Wind umwehen, Nimmer liegt besonntes Meer dir da, Und dein Auge, das die Schönheit iah. Ach, die Schönheit wird es nimmer sehen.

Bruder, horch, noch sirig ich bittern Sang, Weinendes Gedicht zur Totenklage. Doch dein Herz, drin wie der Fink im Hage Lieder nisteten, das trunken klang. Drin es wie von Glocken widerschwang, Schweigen muh es bis zum Jüngsten Tage.

PAULA VON PRERADOVIC

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