6883026-1979_16_12.jpg
Digital In Arbeit

Karg und radikal

Werbung
Werbung
Werbung

(Albertina, Wien; bis Mitte Mai) Egon Schieies „Selbstporträt im ersten Saal der graphischen Sammlung der Albertina: ein zerstörtes, gequältes Gesicht. Tiefe Falten haben sich eingegraben, die Augen hegen in den Höhlen wie starre, dunkle Punkte. Sie jagen Angst ein, scheinen aus dem Bild zu springen. Hoffnungslosigkeit und ohnmächtiger Zorn spiegeln sich in ihnen. Der Körper ist ausgemergelt, krank, zerstört fast, Arme und Beine sind krampfhaft ineinander verschlungen.

Egon Schiele ist heute schon ein Mythos: Man hat ihn in den letzten Jahren zu einem Verkünder des grausamen, verstümmelten, des gequälten Menschen hochstilisiert Man nannte ihn einen Seelenmaler und engte Schiele ein: auf den verkrampften, fast neurotischen Porträtisten.

Das Bild stimmt nicht ganz. Die Zeichnungen Schieies, die in der Albertina ausgestellt sind, beweisen: Nicht alles an Schieies Bildern ist autobiographisch, nicht alles ist gequält und mühsam abgerungen.

Schiele hat sich viel mit formalen Problemen beschäftigt. Er war zutiefst verstört durch die beschönigende Malerei des ausklingenden 19. Jahrhunderts, er wandte sich stets gegen die Verlogenheit des „Art-Deco“. Hinter der schönen Fassade entdeckte er Risse und Klüfte, entdeckte er Grausamkeiten und psychische Zerstörung.

Diese Erkenntnis hat Schiele umgesetzt: mit einer Radikalität und mit einer Ernsthaftigkeit, die seine Mitmenschen schockierte. Aber Schiele hatte auch Humor. In den Porträts seiner Freunde kommt das zum Ausdruck. Da spürt man die Liebe, die Verbundenheit zu ihnen, da bricht etwas durch, das man Lebensbejahung nennen könnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung