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Egon Schiele ist nicht nur einer der großen Menschen-Darsteller des 20. Jahrhunderts, sondern hat auch Landschaften auf spezifische Weise ins Bild gesetzt. Das Leopold Museum präsentiert nun den Landschaftsmaler Schiele.

Damals, als alles noch nestroyisch klassisch war, träumten die Leute vom hortus amoenus, dem lieblichen Garten, ließen ihn sich in ihrem Schrebergarten bauen oder durchstreiften die Gegend, um einen solchen Platz, von Mutter Natur geschaffen, aufzustöbern. Mittlerweile darf man ohne weiteres die paradoxe Behauptung aufstellen, dass auch Egon Schiele klassisch geworden ist, wenn auch nicht im Sinne von Nestroy. Bloß bezieht sich diese Klassik in den Köpfen der meisten Menschen auf Schieles Menschendarstellungen, die ob ihrer erotischen Erscheinung ach so gut ins 20. Jahrhundert passen. Dadurch wurde Schieles zweites großes Betätigungsfeld, die Landschaft, in den Hintergrund gedrängt, wenngleich es sowohl von der Anzahl als auch von der Qualität her gleichwertig klassisch ist. Das Leopold Museum versucht nun, dieses Ungleichgewicht aufzuheben und präsentiert Schiele ausschließlich als Landschaftsmaler.

Landschaft umgestalten

Von Beginn seiner malerischen Versuche weg zeigte Schiele in vielen Landschaftsarbeiten, dass seinem Talent auch für derartige Sujets eine große Meisterschaft bevorstand. Auf dem Blatt "Sich im Wasser spiegelnde Bäume" beherrscht der knapp Siebzehnjährige die schwierige Oberfläche des Gewässers bereits souverän, und eine Ansicht aus Klosterneuburg, ein halbes Jahr später entstanden, zeigt einen raffiniert untersichtigen Bildausschnitt, der eine eindrucksvolle Stimmung erzeugt - nicht zuletzt durch den Einsatz eines Markenzeichens von Schiele, der Zeichnung mit einem dunklen Graphitstift in die noch weiche Ölfarbe. Bereits hier sieht man, dass Schiele den lieblichen Garten verlassen hat. Er tendiert zu einem eigenwilligen hortus conclusus, einem Näheraum, indem er beginnt, die Landschaft nach seinen Bedürfnissen umzugestalten. Schiele setzt sich über die vorgegebenen Farben und Formenhinweg, lässt einzelne Teile seines Motivs bewusst weg, er gruppiert um, versetzt Elemente an eine andere Stelle und erzeugt so eher Ideenlandschaften, besser Seelenlandschaften. Nachvollziehen lassen sich diese Veränderungen des über seine Motive souverän herrschenden Malers in der Ausstellung durch die in mühsamer Such- und Wanderarbeit nach den Gemälden erstellten Fotografien, die parallel zu den Arbeiten von Schiele gehängt sind.

Lassen sich beim jungen Schiele noch eine farbliche und kompositorische Anlage nach damals modischen Prinzipien ausmachen, so erreicht der Zwanzigjährige um 1910 seine künstlerische Eigenständigkeit. Die persönliche Auseinandersetzung wird ausschlaggebend, durch das gesteigert Malerische rücken visionäre Ausblicke ins Bildzentrum, gespenstig anmutende Paraphrasen erzeugen eine verstärkte Ausdruckskunst. Noch überhöht durch Typisierungen werden die Arbeiten auch symbolisch bedeutsam, die Landschaft geriert zu einem menschenähnlichen Dialogpartner. In der Mitte der 1910er Jahre nimmt die Formatgröße zu, Schiele führt Stereometrisierungen ein, Kuben und Pyramiden dominieren und die räumlichen Überschneidungen werden zu einem Lieblingsbetätigungsfeld. In den letzten drei Lebensjahren, Schiele stirbt 1918 erst 28-jährig an der spanischen Grippe, wird die starke Raumsuggestion zugunsten einer größeren Schematisierung, die teilweise dekorativen Charakter erhält, abgeflacht. "Wie Buchstaben sich eng aneinander fügen, so sind die Häuser und Gassen", notiert Schiele in sein Skizzenbuch. Trotzdem bleibt das Erlebnishafte klar im Mittelpunkt, das Emotionale verhindert, dass Schieles Werke ins Plakative abgleiten.

So drängt Schiele in seiner Serie von "toten Städten", allesamt Ansichten von Krumau vom Schlossberg aus gesehen, die Häuser dicht aneinander, die tote Stadt von 1911 scheint in einer Schlinge von schwarzem Moldauwasser, die sich immer weiter zusammenzuziehen scheint, gefangen. In der "Rabenlandschaft" ragt auf den ersten Blick ein dunkler Herbstberg symmetrisch in einen weißen Himmel. Bei näherem Hinsehen entdeckt man eine wesentlich raffiniertere Komposition, die rechts einen dunklen Streifen als Gegengewicht stehen lässt und durch ein vielfaches Widerspiel einzelner Elemente die Bildfläche dynamisiert.

Kalvarienberg

In seinem "Kalvarienberg" von 1912 dominiert ein großes, in Spätlicht getauchtes Wiesenstück den Vordergrund. Unrealistisch gemalt, suggeriert es eine amorphe Masse, in der alles zu versinken droht. Entlang der Horizontlinie reihen sich kärgliche Bäumchen, unterbrochen durch eine Kalvarienberggruppe. Windschief ragen sie in den hellen Himmel, niemand scheint sich mehr wirklich um sie zu kümmern, dennoch verbietet der Aufwärtstrend der Horizontlinie und das hereindrängende Weiß aus den Sphären eine hoffnungslose Stimmung. Im "Herbstbaum in bewegter Luft" verschwindet der weiß gekalkte Baumstamm in der gleichweißen Wolkenformation des Hintergrundes, die irdische Halterung scheint nicht mehr tragfähig, dennoch schweben die Äste wie eine verzerrt geöffnete Hand in den Lüften und geben diesen auch ihre Form. Viel schöner Land bei gleichviel Herbststimmung an all diesen lieblichen Orten.

Egon Schiele, Landschaften

Leopold Museum, Museumsplatz 1

1070 Wien. Bis 31.1.2005

Mi-Mo 10-19, Do bis 21 Uhr

Katalog hg. von Rudolf Leopold, München 2004, 208 S., e 29,80

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